am Puls 8, Schulbuch

131 Bio- und Gentechnik Der Spurensicherung der Kriminalpolizei genügt 1 ng (Nanogramm; 1 × 10–9 Gramm) DNA für eine gerichtsmedizinische Analyse. Für die Aufklärung eines Einbruchs reicht somit ein einziger Blutstropfen, den eine Täterin oder ein Täter am Tatort hinterlassen hat. Kriminaltechnikerinnen und -techniker isolieren und reinigen die DNA. Doch diejenigen Abschnitte unseres Erbmaterials, die für Gene codieren, sind bei allen Menschen weitgehend ident – wir gehören ja zu derselben Art. Es gibt allerdings viele Bereiche in unserer DNA, die nicht in Proteine übersetzt werden. Diese nicht-codierenden DNA-Abschnitte variieren oft genauso stark zwischen einzelnen Individuen wie deren Fingerabdrücke. Besonders oft werden in der Gerichtsmedizin (Forensik) Mikrosatelliten analysiert – auch Short Tandem Repeats (STRs) genannt. Das sind Wiederholungen von zwei bis sechs Basenpaaren, zB TACTAC… Hier kommt es auf die Anzahl der Wiederholungen und damit die Länge dieser spezifischen DNA-Abschnitte an. DNA-Abschnitte mit einer unterschiedlichen Anzahl an solchen Wiederholungen werden Allele genannt. Ein Beispiel: Der Mikrosatellit D7S820 auf Chromosom 7 besteht aus fünf bis 16 Wiederholungen von GATA. Daher gibt es zwölf Allele für D7S820. Wenn du nun auf einem Chromosom 7 14 GATA-Wiederholungen, auf dem anderen Chromosom 7 aber nur elf GATA-Wiederholungen bei D7S820 trägst, hast du von deinen Eltern unterschiedliche Allele vererbt bekommen. Da es zwölf verschiedene Allele für diesen Mikrosatelliten gibt, existieren insgesamt 78 mögliche Paarungen. Von diesen sind zwölf „homozygot“ (gleich in der Anzahl bei Mutter und Vater) und 66 „heterozygot“ (Vater und Mutter vererben D7S820 mit unterschiedlicher Anzahl an Wiederholungen). Vergleicht man mehrere Mikrosatelliten, ist die Wahrscheinlichkeit extrem gering, eine exakte Übereinstimmung bei zwei Menschen zu finden. Diese DNA-Typisierung oder genetischer Fingerabdruck genannte Methode ist daher sehr genau in der Identifizierung einer Person – vorausgesetzt, die Probe ist nicht mit anderer DNA kontaminiert. Die europäische Polizeibehörde nutzt zehn Mikrosatelliten zur Verbrechensaufklärung und zur Identifizierung von Toten. Auch bei Vaterschaftstests wird diese Methode angewendet. Möglich ist das nur dank der Polymerase-Kettenreaktion (PCR; C für chain (engl.) = Kette) und der Gel-Elektrophorese (siehe S. 36). Sie erlauben, kleinste DNA-Mengen zu vervielfältigen und sichtbar zu machen (kAbb. 5): Mit Hilfe spezifischer Primer werden die jeweiligen Mikrosatelliten bei der PCR vervielfältigt und in Agarosegelen aufgetrennt. Allerdings kann es sein, dass sich zwei Allele bei einem Mikrosatelliten lediglich in einem Basenpaar Länge unterscheiden. Hier ist die herkömmliche Gel-Elektrophorese zu ungenau, weshalb in solchen Fällen die PCR-Produkte sequenziert werden. Dieses Verfahren lernst du auf der folgenden Seite kennen. Der genetische Fingerabdruck lässt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass eine Person am Tatort war. Allerdings reicht er als alleiniger Grund für eine Verurteilung nicht aus. Seit 1997 wird in Österreich eine große DNA-Datenbank betrieben. Dort lagerten im August 2024 283 254 DNA-Proben von Straftäterinnen und Straftätern, sowie 51 250 noch nicht zugeordnete Proben von Tatorten. Dank dieser Datenbank wurden bisher über 26 000 Tatverdächtige identifiziert. Mikrosatelliten sind sehr kurze DNA-­ Sequenzen Vergleicht man die Länge mehrerer Mikrosatelliten, erhält man ein Muster, das für jedes Individuum spezifisch ist – den genetischen Fingerabdruck Variabilität, Verwandtschaft, Geschichte und Evolution Die hohe Variabilität nicht-codierender DNA ermöglicht die DNA-­ Typisierung von Individuen einer Art. DNA-Wiederholungssequenzen (zB AT, TAC) werden mittels PCR vervielfältigt. Das Bandenmuster des Verdächtigen A stimmt mit den Tatortspuren überein. In einer Gel-Elektrophorese wandern kurze DNA-Abschnitte weiter als lange. Die Bandenmuster lassen sich vergleichen. Die Länge der Mikrosatelliten ist von Person zu Person verschieden. Tatortspuren Verdächtiger A Verdächtiger B Tatortspuren A B AT A B TAC A B isolierte DNA vervielfältigte DNA Gel-Elektrophorese Abb. 5: Für einen genetischen Fingerabdruck werden DNA-Isolierung, PCR und Gel-Elektrophorese kombiniert. Biotechnologie in der Gerichtsmedizin – der genetische Fingerabdruck Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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