130 6.2 Biotechnologie und Gentechnik „Biotechnologie“ und „Gentechnik“ werden zuweilen synonym verwendet. Dennoch unterscheiden sich die beiden Begriffe in ihrer Bedeutung. Bei der Biotechnologie werden pro- oder eukaryotische Zellen genutzt, um bestimmte Stoffe herzustellen. Ebenfalls zur Biotechnologie gehört der Einsatz dieser Stoffe in weiteren Prozessen. Klassische biotechnologische Verfahren hast du bereits in am Puls 5 kennengelernt: die Herstellung von Joghurt und Käse mit Milchsäurebakterien, die Produktion von Alkohol durch Hefezellen, die Gewinnung von Zitronensäure oder Antibiotika aus Schimmelpilzen. In der Umwelttechnik wird ua. an natürlichen Bakterien geforscht, die Erdöl abbauen. Allerdings werden in der Biotechnologie zunehmend gentechnisch veränderte (gv) Lebewesen eingesetzt. Hierbei werden natürlich vorkommende Organismen dahingehend verändert, dass sie Produkte synthetisieren, die in der Industrie eingesetzt werden können, zB Enzyme für Waschmittel. Auch an der gentechnischen Optimierung der oben erwähnten Erdöl-abbauenden Bakterien wird geforscht, um sie vielleicht eines Tages bei Tankerunglücken einsetzen zu können. Während in der Biotechnologie demnach Lebewesen oder deren Produkte technologisch genutzt werden, beruht die Gentechnik auf einer Veränderung des Erbguts, oft sogar über Artgrenzen hinweg. Die dabei erzeugten Lebewesen würde es auf natürlichem Wege vermutlich nie geben. Man nennt sie gentechnisch veränderte Organismen (GVOs). Gentechnik wird jedoch auch in der Medizin eingesetzt, um Krankheiten zu heilen, die auf Mutationen im Erbgut beruhen. Meist wird die Gentechnik als Teilgebiet der Biotechnologie angesehen. Biotechnologie ist ein Sammelbegriff für alle Verfahren, bei denen Organismen oder deren Stoffwechselprodukte genutzt werden Gentechnik bezieht sich auf gezielte Veränderungen im Erbgut – dabei werden oft Gene von einer Art auf eine andere Art übertragen Rote, grüne und weiße Gentechnik Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen drei Bereichen der Gentechnik: •• Grüne Gentechnik: Ihr Ziel ist es, neue Pflanzen herzustellen, die mehr Ertrag bringen, neue Produkte synthetisieren oder besser an bestimmte Umweltfaktoren angepasst sind. Beispiele sind der „Golden Rice“ (siehe am Puls 5, S. 166 ff.) oder Tomatenpflanzen, die auf salzreichen Böden überleben. •• Rote Gentechnik: Damit sind Verfahren gemeint, mit deren Hilfe Arzneimittel hergestellt oder Krankheiten geheilt werden können. Beispielsweise stellen heutzutage gv-Bakterien, in die das menschliche Gen für Insulin eingebracht wurde, diesen für Diabetikerinnen und Diabetiker so wichtigen Stoff in großen Mengen her (siehe S. 141). •• Weiße Gentechnik: Hierbei werden zB gentechnisch veränderte Mikroorganismen oder Zellkulturen für die industrielle Herstellung von diversen Produkten wie Zitronensäure, Vitaminen, Aminosäuren oder Biogas erzeugt. Die Ausbeute ist dabei oft höher als bei den natürlichen Ursprungsorganismen. •• Graue Gentechnik: Damit sind biotechnologische Verfahren gemeint, die der Aufbereitung von Trinkwasser, der Reinigung von Abwasser, dem Nachweis von Schadstoffen, der Sanierung verunreinigter Böden, dem Recycling oder der Umsetzung von Abgasen in ungefährlichere Stoffe dienen. •• Blaue Gentechnik: Darunter wird der Einsatz gentechnisch veränderter Wasserorganismen verstanden. Beispiele sind erhöhte Frosttoleranz und stärkeres Wachstum bei gv-Lachsen, oder gv-Algen, die Bioethanol produzieren. Graue und insbesondere blaue Gentechnik werden nicht immer als separate Felder angesehen, da es oft Überschneidungen zu anderen Farben gibt (zB blau und grau, blau und grün). Vor allem die grüne Gentechnik ist umstritten. Denn einerseits werden Organismen hergestellt, die es ohne diese Technik nicht gäbe. Zudem befürchten viele Umweltorganisationen und manche Forscherinnen und Forscher, dass das Ausbringen von GVOs in die Natur negative Folgen haben könnte. Andererseits eröffnet uns die Gentechnik neue Möglichkeiten im Kampf gegen Krankheiten, vielleicht auch gegen Nahrungsknappheit. Das wird uns im Kapitel zur Bioethik (siehe S. 145 ff.) beschäftigen. Ohne die vorherige Analyse von Genen wäre deren gezielte Veränderung unmöglich. Im weiteren Sinne umfasst Gentechnik daher Methoden zur Analyse von DNA und RNA – und ist somit Grundlage von moderner Kriminaltechnik, Evolutionsbiologie und Medizin. Biotechnologie und Gentechnik: Gemeinsamkeiten und Unterschiede Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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