am Puls 8, Schulbuch

Aufgaben 120 Manche Merkmale wirken regelrecht unnatürlich. Der schillernde Blaue Pfau (Pavo cristatus, kAbb. 18) ist so ein Beispiel: Das Federkleid der Männchen lockt Weibchen an, scheint aber sonst hinderlich – wie kann so ein Merkmal durch natürliche Selektion in freier Wildbahn entstehen? Tatsächlich können Pfauenmännchen erheblich schlechter fliegen als die unauffällig befiederten Weibchen. Prachtmerkmale dienen den Männchen dazu, ihre Attraktivität und damit ihre Auswahl- oder Verpaarungschancen bei den Weibchen zu erhöhen. Diese Form der Selektion spielt sich also zwischen den Geschlechtern ab und wird daher als sexuelle Selektion bezeichnet. Dabei stehen Merkmale im Mittelpunkt, die ein Individuum gegenüber dessen Konkurrenten für das andere Geschlecht attraktiver machen: Gesang, Federkleid, gesundes Aussehen oder Ressourcenangebote wie ein Nistplatz. Diese Selektion kann nun, wie im Beispiel des Pfaus, zwischen den Geschlechtern stattfinden und wird dann als intersexuelle Selektion bezeichnet. Sie kann aber auch innerhalb eines Geschlechts stattfinden, dann spricht man von intrasexueller Selektion. Ein Beispiel dafür wären Konkurrenzkämpfe bei Hirschen, die untereinander um Weibchen konkurrieren. Doch warum sollte ein Weibchen ein „Prachtmännchen“ bevorzugen? Die Selektion sollte doch nicht die Prächtigeren auslesen, sondern die besser Angepassten, also zum Beispiel diejenigen, die in einem besseren körperlichen Zustand sind. Tatsächlich besteht hier ein Zusammenhang: Die Weibchen bevorzugen prächtige Männchen, weil nur kräftige und gesunde Männchen es sich leisten können, so viel Energie in „unnötigen“ Schmuck zu investieren. Man nennt dies das Handicap-Prinzip: Ein Organismus, der trotz Handicap überleben kann, muss besonders lebenstüchtig sein. Das gilt nicht nur für Pfauenfedern, sondern auch für die volle, dunkle Mähne afrikanischer Löwen oder für große Geweihe oder Gehörne vieler Huftiere. Damit sexuelle Selektion funktioniert, müssen die Weibchen die Fähigkeit haben, anhand bestimmter Merkmale echte Qualitätsunterschiede zwischen Männchen zu erkennen. Dann stehen die Männchen unter dem Selektionsdruck, genau diese Merkmale stärker auszuprägen. Über viele Generationen kann dies zu exorbitanten Prachtmerkmalen führen. Meist wird eine solche Eskalation aber durch die damit verbundenen körperlichen Nachteile verhindert. Sexuelle Selektion erklärt gut, warum Männchen auf „Stärke“ und „Attraktivität“ selektiert sind und warum sie Weibchen umwerben, während letztere ihren Wunschpartner häufig eher auswählen. Durch intra- und intersexuelle Selektion ist im Verlauf der Evolution eine immense Vielfalt an Merkmalen entstanden. Als Spezialfall der natürlichen Selektion ist die sexuelle Selektion eine treibende Kraft in der Artbildung. Sexuelle Selektion kann dazu führen, dass Attraktivität als Merkmal gefördert wird Reproduktion Sowohl inter- als auch intrasexuelle Selektion beziehen sich vor allem auf sekundäre Geschlechtsmerkmale. Das Handycap-­ Prinzip besagt, dass Individuen, die besonders auffällige Prachtmerkmale tragen, dadurch ihre Lebenstüchtigkeit zeigen Abb.18: Blauer Pfau: Die Schwanzfedern des Pfauenmännchens scheinen dem Prinzip des „survival of the fittest“ zu widersprechen. Die Evolution von Prachtmerkmalen ist eine Folge sexueller Selektion 1 W Erläutere am Beispiel des Hirschgeweihs, warum natürliche Selektion und sexuelle Selektion gegenläufig wirken können. 2 E Experimente mit Schwertträgern, einer Fischart (kAbb. 19), haben gezeigt, dass Weibchen Männchen umso mehr bevorzugen, je länger ihr „Schwert“, eine Verlängerung der Schwanzflosse, ist. Sogar kleinere Männchen mit langem, auch aufgeklebtem Schwert werden bevorzugt. Erkläre diesen Befund aus evolutionsbiologischer Sicht. Beschreibe ein Folgeexperiment mit Schwertträgern, das durchgeführt werden müsste, um das Konzept der sexuellen Selektion an diesem Beispiel zu belegen. Abb.19: Schwertträger. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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