am Puls 8, Schulbuch

Aufgaben 117 Die Entstehung der Artenvielfalt 5.3 Konsequenzen der Evolution Das Zusammenspiel von Mutation, sexueller Fortpflanzung (Genaustausch bei Meiose und Befruchtung) und Selektion erklärt die vielfältigen Angepasstheiten von Organismen. Läuft das früher oder später darauf hinaus, dass alle Lebewesen „Optimallösungen“ darstellen? Spätestens dann könnte ja auch die genetische Variabilität sinken und schließlich nur ein einziger „optimaler“ Genotyp übrig bleiben. In natürlichen Populationen beobachtet man dies aber niemals. Dort finden wir immer genetische Vielfalt, andauernde evolutionäre Veränderung sowie mehrere Lösungen nebeneinander. Eine Ursache dafür ist, dass Veränderungen in den biotischen und abiotischen Einflüssen einen ständigen evolutionären Wandel notwendig machen – eine Optimallösung bleibt also nicht für immer optimal. Einen weiteren wichtigen Grund stellen stammesgeschichtliche Einschränkungen dar, die häufig auch als konstruktive Zwänge bezeichnet werden. Beispielsweise sind Vögel mit Schnabel, Füßen und Flügeln sehr geschickt, aber hätten sie zusätzlich noch Arme, dann wären sie unschlagbar. Doch die Vorfahren der Vögel waren vierbeinige Dinosaurier, und deshalb ist ihr Körperbauplan auf ein zusätzliches Extremitätenpaar nicht ausgelegt. Auch der Mensch ist seinen konstruktiven Zwängen ausgeliefert. Die Wirbelsäule der Wirbeltiere war ursprünglich eine durchgebogene „Hängebrücke“ zwischen Schulter- und Beckengürtel, an der die Organe des Bauchraums aufgehängt waren. Die Evolution führte zu einem Aufrichten der Wirbelsäule, das den aufrechten Gang ermöglichte. Das führte dazu, dass die Wirbelsäule eine doppelte S-förmige Krümmung annahm, um das Körpergewicht zu tragen. Das macht sie jedoch anfällig. Unsere Evolution ist also unter anderem eine Ursache, warum wir Menschen so häufig mit Rückenschmerzen zu kämpfen haben. Eine Maschine kann man von Grund auf neu konstruieren. Evolutionäre Veränderungen sind dagegen ein „Umbau bei laufendem Betrieb“. Konstruktive Zwänge verhindern, dass Organismen völlig frei evolvieren und zu optimalen Superorganismen werden Variabilität, Verwandtschaft, Geschichte und Evolution Der „Bauplan“ eines Lebewesens ist das Ergebnis eines langen Evolutionsprozesses. Je grundlegender ein Merkmal ist, umso unwahrscheinlicher ist die Änderung. So sind zB Änderungen bei Fellfärbungen oder Krallenformen relativ einfach möglich, die Änderung der Anzahl der Extremitäten hingegen ist nicht möglich (siehe S. 79). 1 W Die meisten Fischarten sind Freilaicher, das heißt, sie geben Ei- und Spermienzellen ins freie Wasser ab. Die im Atlantik und Mittelmeer vorkommenden Meerbarbenkönige (kAbb. 14) bebrüten jedoch die befruchteten Eier und Jungtiere im Maul. Recherchiere zum Brutverhalten dieser Fische und beschreibe das Maulbrüten als Teil eines Trade-offs. Abb.14: Meerbarbenkönig. Unsere Evolutionsgeschichte schränkt die weitere Entwicklung ein Natürliche Selektion führt zu Kompromisslösungen: Trade-offs Neben den konstruktiven Zwängen haben Kompromisse zwischen Merkmalen oder negative Kopplungen Einfluss auf die Evolution und schränken die Optimierung ein. Diese Kompromisse werden auch Trade-offs genannt. Ein Trade-off liegt vor, wenn ein Aspekt nur verbessert werden kann, indem ein anderer verschlechtert wird. Dafür gibt es viele Beispiele: Für Tiere wäre es aus evolutionsbiologischer Sicht optimal, möglichst viele weit entwickelte Nachkommen zu produzieren. Beides zugleich geht aber nicht. Ein Tier, das viele Nachkommen hervorbringt, muss in Kauf nehmen, dass diese weniger entwickelt geboren werden. Ein Tier, das weiter entwickelte Nachkommen produziert, muss zwangsläufig deren Anzahl verringern. Ähnlich verhält es sich bei Pflanzen: Eine Pflanze, die große Samen produziert, kann nicht gleichzeitig auch viele Samen erzeugen. Dies erklärt die Vielfalt der Lebewesen. Schnelle und Langsame, Spezialisten und Generalisten – alle können nebeneinander gleich erfolgreich sein, weil jeder nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen besitzt. Als positiver Nebeneffekt bleibt so die genetische Variabilität in der Population erhalten. Organismen zeigen also viele optimierte Merkmale, Trade-offs und konstruktive Zwänge verhindern aber, dass sämtliche Merkmale optimiert werden und die Evolution zu fehlerlosen Superorganismen führt. Erfolgreich sind Lebewesen, die insgesamt eine möglichst hohe Angepasstheit zeigen. Positive Anpassungen können auch negative Auswirkungen haben, daher sind alle Anpassungen Kompromisse Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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