Aufgaben 116 Biotische Faktoren und Koevolution Lebewesen teilen sich ihren Lebensraum mit anderen Arten und stehen mit vielen davon in Wechselwirkung. Sie sind für einander Nahrungsquellen, Krankheitserreger, Symbionten, Parasiten, Fressfeinde oder Konkurrenten. Durch diese Vielzahl von Einflüssen sind Lebewesen stark voneinander abhängig. Solche Wechselwirkungen zwischen Lebewesen bezeichnet man als biotische Faktoren. Sie bewirken eine starke Selektion, das heißt, sie sind relevant für das Überleben einer Art und damit für die Evolution. Einflüsse, die nicht von anderen Lebenwesen ausgeübt werden, bezeichnet man als abiotische Faktoren (zB physikalische Rahmenbedingungen wie Luftdruck oder O2-Gehalt). Auch diese Faktoren sind wichtig für die Evolution, aber sie sind oft über lange Zeiträume weitgehend konstant. Im Gegensatz dazu ändern sich biotische Faktoren ständig – jede Art muss sich laufend an ihre Umgebung anpassen. Evolutionäre Veränderungen einer Art führen daher oft zur evolutionären Veränderung einer anderen Art. Abbildung 12 zeigt ein Beispiel einer evolutionären Wechselwirkung zwischen einer Pflanzenart und einer diese Pflanze fressenden Käferart. Durch den Fraßdruck der Käferpopulation haben Pflanzen mit einem giftigen Inhaltsstoff einen Selektionsvorteil – sie werden seltener gefressen und können sich öfter fortpflanzen. Jene Gene, die für das Gift verantwortlich sind, werden in den nächsten Generationen häufiger. Andererseits werden Käferindividuen, die gegen das Gift resistent sind, besser überleben können. Die Resistenz-Gene könnten sich also in der Käferpopulation etablieren. Schließlich könnte bei der Pflanze durch zufällige Mutation ein neuer giftiger Inhaltsstoff auftreten. In der Folge könnten wiederum neue Resistenzen bei den Pflanzenfressern evolvieren. Das Beispiel von Käfer und Pflanze wirkt wie ein evolutionärer Wettlauf: Neue Anpassungen einer Art ziehen Anpassungen bei der anderen Art nach sich und umgekehrt. Stehen Arten auf diese Weise miteinander in enger evolutionärer Wechselwirkung, so spricht man von Koevolution. Solche evolutionären Wettläufe sind häufig. Gepard und Antilope koevolvieren genauso wie dies Mensch und Malariaparasit tun. Auch Insekten und Blütenpflanzen, die sich zum gegenseitigen Nutzen bei der Bestäubung in einer engen Beziehung befinden, koevolvieren (kAbb. 13). Um überleben zu können, müssen sich Arten also immerwährend an andere Arten anpassen. Koevolution hört erst auf, wenn eine der beteiligten Arten ausstirbt oder wenn eine Art einen Ort besiedelt, an dem es die andere Art nicht gibt. Da sich die biotischen Faktoren in einem Ökosystem ständig ändern, wirkt Selektionsdruck auf alle Organismen, die davon betroffen sind Kompartimentierung Arten bilden abgegrenzte Gemeinschaften mit bestimmten Ansprüchen. Überschneiden sich die Ansprüche mehrerer Arten, kommt es zu einem koevolutionären Wettbewerb oder zu Konkurrenzausschluss (Verdrängung). Selektionsdruck (Fraß) Selektionsdruck (Gift) Evolution von Toxin A Evolution von Toxin B Resistenz gegen A Resistenz gegen A und B Zeit Abb.12: Wechselseitiger Selektionsdruck. Das Entstehen eines Merkmals bei einer Art führt zu Selektionsdruck auf die andere Art und vice versa. Will die Hummel an den Nektar am Blütengrund des Wiesen-Salbeis gelangen, muss sie mit dem Kopf auf diese Platte drücken. Dadurch kippt das Staubblatt … … nach unten und belädt den Rücken der Hummel mit Pollen. So gelangt dieser auf die Narbe der nächsten besuchten Blüte. Wegen der 30 cm langen Blütenröhre der tropischen Orchideenart Angraecum sesquipedale sagte Charles Darwin voraus, dass es … … eine Nachtfalterart mit einem entsprechend langen Saugrüssel geben müsse. Die Art Xanthopan morganii wurde 40 Jahre später entdeckt. Abb.13: Koevolution kann zur Spezialisierung von Blüten auf eine einzige Bestäuberart führen. Da diese Nahrungsquelle den meisten Konkurrenten verschlossen ist, wird sie von der Bestäuberart intensiv genutzt. 1 W Stirbt ein Partner einer durch Koevolution entstandenen Beziehung aus, hat das meist negative Auswirkungen auf das Ökosystem. Dies gilt für Räuber-Beute-Beziehungen wie für Symbiosen. Versuche, Beispiele dafür zu finden. 2 S Im Roman „Alice im Wunderland“ sagt die Rote Königin zu Alice: „Hierzulande musst du so schnell rennen wie du kannst, um am selben Fleck zu bleiben“. Argumentiere, warum Evolutionsbiologinnen und -biologen diese Metapher benutzen, um Koevolution zu beschreiben. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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