115 Die Entstehung der Artenvielfalt Arten können schrittweise oder sprunghaft entstehen 5.2 Der Verlauf der Artbildung Artbildung kann explosiv erfolgen und wiederholt zu Ähnlichem führen Artbildende Prozesse können auch auf „explosive“ Art und Weise stattfinden, wie zB die adaptive Radiation bei Buntbarschen in den ostafrikanischen Seen (kAbb. 11). Diese Seen sind geologisch jung, das heißt weniger als 25 Mio. Jahre alt, und nur selten bestanden Verbindungen zwischen den Seen, über die wenige Arten einwandern konnten. Daraus sind pro See Hunderte verschiedener Arten entstanden – teils durch sexuelle Selektion neuer Farbmuster (Sympatrie), teils durch Besiedlung von Lebensräumen unterschiedlicher Tiefe und damit einhergehender räumlicher Trennung (Allopatrie). Im Victoriasee sind zB aus einer eingewanderten Buntbarschart etwa 500 neue Arten entstanden, viele davon in weniger als 12 000 Jahren. Dabei sind in den Seen unabhängig voneinander Arten entstanden, die sich in Körperform, Färbung und Verhalten täuschend ähneln, obwohl die Gründerart je eine andere war (kAbb. 11). Diese Fälle zeigen, wie sich unterschiedliche Arten durch natürliche Selektion unter den gleichen Bedingungen an einem anderen Ort ähnlich spezialisieren. Diese voneinander unabhängige Evolution ähnlicher (analoger) Merkmale hast du schon als Konvergenz kennengelernt (siehe S. 125 sowie am Puls 6, S. 119). In neuen Lebensräumen können sehr schnell viele neue Arten entstehen, oft auch konvergent Ramphochromis longiceps Bathybates ferox Pseudotropheus microstoma Julidochromis ornatus Melanochromis auratus Cyphotilapia frontosa Cyrtocara moorei Lobochilotes labiatus Placidochromis milomo Tropheus brichardi schlanke Fischfresser Rudolfsee 0 500 km Victoriasee Tanganjikasee Tanganjikasee Malawisee Malawisee gestreifte Aufwuchsfresser beulenköpfige Aufwuchsfresser dicklippige AufwuchsAllesfresser kurzköpfige Aufwuchsfresser Abb.11: Buntbarsche zeigen eine ausgesprochene Vielfalt in Farbe, Form und Lebensweise. In den meisten Seen entstanden unabhängig voneinander ähnliche, konvergente Formen. Die Darwin’sche Vorstellung von Artbildung wird manchmal als Gradualismus bezeichnet: Anpassungen entstehen graduell, schrittweise, als Anhäufung kleiner Änderungen, bis der Punkt erreicht ist, ab dem man von einer neuen Art spricht. Es gibt aber auch Formen der Änderung, die einen großen Schritt in Richtung Artbildung machen – oder sogar mit einem einzigen Ereignis eine Reproduktionsbarriere entstehen lassen. Evolution durch solche zeitlich begrenzten Schritte nennt man Punktualismus. Darwin kannte diese Prozesse nicht, weil dazu Kenntnisse der Genetik nötig sind, die zu seiner Zeit nicht verfügbar waren. Ein Beispiel dafür ist die oben schon angesprochene Hybridisierung: Hybride oder Bastarde entstehen durch Kreuzung nahe verwandter Arten und besitzen eine komplett funktionsfähige Genomhälfte beider Eltern. Das kann oft Vorteile bringen, weil sozusagen das Beste aus zwei Evolutionslinien vorliegt. Oft sind die Hybride dann aber nicht fortpflanzungsfähig, weil deren Nachkommen dann unbalancierte Kombinationen von Eigenschaften aufweisen. In seltenen Fällen können sich zufällig fortpflanzungsfähige Hybriden ergeben, die sich deutlich von den Eltern unterscheiden. Diese punktuelle Evolution ist bei vielen Orchideen, Schmetterlingen oder Korallen nachgewiesen. Schrittweise kleine Anpassungen können ebenso zur Bildung neuer Arten führen wie punktuelle, die eine Reproduktionsbarriere ausbilden Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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