Aufgaben 103 Evolution des Menschen Ackerbau und Evolution In noch drastischerer Weise wurde die Evolution des Menschen durch die Erfindung des Ackerbaus beeinflusst. Jagende und sammelnde Menschen in Mesopotamien, Südostasien und Mittelamerika wurden sesshaft, mit weitreichenden Konsequenzen für Gesundheit und Lebenserwartung. Mehr als 100 000 Jahre lang hatte sich der Mensch einigermaßen ausgewogen von einer Vielzahl von Pflanzen und Tieren ernährt. Die Nahrung der bäuerlichen Gesellschaft der Jungsteinzeit bestand jedoch hauptsächlich aus wenigen kohlenhydratreichen, aber vitaminarmen Nutzpflanzen, je nach Gegend Mais, Reis oder Hirse. Diese einseitige Ernährung führte zu Karies und Zahnverlust, dazu zu verschiedensten Mangelerkrankungen. Durch die Arbeit auf dem Feld nutzen sich die Gelenke viel stärker ab als beim Jagen und Sammeln. Da die sesshaften Menschen so eng zusammenlebten, stieg auch der Anteil jener an, die an Infektionskrankheiten starben. Die mittlere Lebenserwartung nahm ab, von etwa 33 auf 20 Jahre! Die Lebenserwartung der jagenden und sammelnden Menschen wurde vermutlich erst wieder im 18. Jahrhundert erreicht und stieg seither kontinuierlich an. Viel früher nahm, wahrscheinlich aufgrund der besseren Nahrungsverfügbarkeit, das Bevölkerungswachstum zu – es wurden mehr Kinder geboren und die Weltbevölkerung stieg von einigen Hunderttausend in der Altsteinzeit bis auf 170–400 Mio. vor 2 000 Jahren und auf mehr als 8 Mrd. heute (kAbb. 15). Die Lebenserwartung sank drastisch in der Jungsteinzeit 3 + 2 1 0 - 1 < 1 Bevölkerungswachstum in % Abb.15: Bevölkerungswachstum in verschiedenen Ländern (in %). Die Bevölkerung nimmt in Europa ab, vor allem in Afrika aber weiterhin zu. 1 S Argumentiere, welche Konsequenz die Behandlung von Erbkrankheiten, an denen unsere Vorfahren früher gestorben wären, für die Evolution des Menschen haben könnte. Die menschliche Evolution geht weiter Auch wenn man denken könnte, dass wir uns dank des medizinischen Fortschritts von den Einflüssen von Mutation und Selektion bereits losgelöst haben, so unterliegen wir tatsächlich nach wie vor den Mechanismen der Evolution. Das beginnt bereits vor der Geburt. Mehr als zwei Drittel aller Zygoten sterben zB unbemerkt wenige Tage nach der Befruchtung ab. Meist handelt es sich dabei um Embryonen mit massiven genetischen Defekten. Biologinnen und Biologen sprechen dabei von „interner Selektion“. Besonders in Afrika, Asien und Südamerika ist außerdem die Sterblichkeit bei Neugeborenen und Säuglingen immer noch erschreckend hoch. Und selbst wer erfolgreich erwachsen geworden ist, hat damit nicht automatisch Nachkommen. Die Veränderungen der Lebensweise und Umwelt, die Homo sapiens erfahren hat, üben einen immensen Selektionsdruck aus. Das explosionsartige Wachstum der Weltbevölkerung (kAbb. 15) bedingt auch einen rasanten Anstieg an neuen Mutationen, sodass die Evolutionsgeschwindigkeit beim Menschen im Laufe der vergangenen Jahrtausende sogar zugenommen hat! Genetische Untersuchungen zeigen, dass viele dieser neuen, adaptiven Mutationen zwar präsent sind, andere Genvarianten aber noch nicht vollständig ersetzt haben (siehe S. 111). Die menschliche biologische Evolution geht also weiter – eng verstrickt mit der gleichzeitig ablaufenden kulturellen Evolution. Das explosionsartige Bevölkerungswachstum trägt zur menschlichen Evolution bei Reproduktion Starke Selektion findet beim Menschen bereits im Mutterleib statt, da viele Zygoten sich nicht weiterentwickeln. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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