am Puls Biologie 7 RG, Schulbuch

37 Krankheitserreger HIV – ein Virus entert die DNA der Wirtszelle Das Humane Immunschwäche-Virus ist, ähnlich wie das Grippevirus, behüllt. Es trägt auf seiner Oberfläche ein Protein namens gp 1201. Dieses Protein bindet an den so genannten CD4-Rezeptor2, der insbesondere auf der Oberfläche von einigen Blutzellen wie Makrophagen und T-Helferzellen vorkommt. Nach der Bindung eines HI-Virus an die Wirtszellmembran fusionieren Virushülle und Zellmembran. Dabei gelangt das Capsid in das Zellinnere (kAbb. 17). Dort wird der Capsid-Mantel des Virus aufgelöst. Die freigelegte virale RNA wird nun mit Hilfe eines weiteren Enzyms, das im Capsid enthalten war, zu DNA umgeschrieben. Dieses Enzym heißt „Reverse Transkriptase3.“ Die neue, virale DNA wird in den Zellkern verfrachtet und dort mit Hilfe eines weiteren Virus-­ Enzyms, der Integrase, in die DNA der Wirtszelle eingebaut. So wird bei jeder Zellteilung das in DNA umgeschriebene HIV-Erbgut vermehrt, weshalb die Folgezellen infizierter Zellen bereits bei der Entstehung virales Erbgut in sich tragen. Nach wenigen Stunden oder erst nach Jahren wird mit Wirtsenzymen die integrierte Virus-DNA zurück in RNA umgeschrieben; ein Vorgang, den man „Transkription“ nennt (siehe S. 33). Zusätzlich wird die Wirtszelle dazu gebracht, die zuvor erwähnten Virus-Enzyme und die Proteinhülle neu zu synthetisieren. Letztlich entstehen aus einem infizierenden Virus pro Zelle viele neue Virus-Teilchen, die durch Knospung die Wirtszelle (die dabei abstirbt) verlassen und neue Zellen infizieren können. Das Immunsystem des Körpers bekämpft die Viruspartikel durch Produktion von Antikörpern (siehe am Puls 6, Kapitel 7). Nach einiger Zeit (oft mehreren Jahren) kann die Immunabwehr aber mit der Zahl der neuen Virus-Partikel nicht mehr Schritt halten. Hinzu kommt, dass HI-Viren ca. eine Mio. Mal schneller mutieren als Säugetier-DNA. Das Immunsystem muss daher ständig neue Antikörper entwickeln, um sich an die veränderten Viren anzupassen – und scheitert letztlich daran. Deshalb ist eine HIV-Infektion fast immer eine tödliche Bedrohung. Denn die abnehmende Zahl von T-Zellen schwächt das Immunsystem. Es kommt zum Ausbruch von AIDS: So genannte Zweitinfektionen (zB mit Tuberkulose-Bakterien, Herpes-Viren oder Hefe-Pilzen), können bei AIDS-Kranken oft zum Tod führen. Wenn Gehirnzellen von HI-Viren befallen werden, kann es zu schweren Gehirnschäden kommen. Man kann den Ausbruch von AIDS durch antiretrovirale Medikamente (siehe S. 36) weitgehend unterbinden. Eine Heilung war bisher nur in sehr wenigen Fällen möglich. HIV ist ein behülltes Retrovirus mit einem Oberflächenprotein, das an bestimmte Zellen bindet Struktur und Funktion Die Bindung von gp 120 an ein CD4-Rezeptormolekül funktioniert wie ein Schlüssel-Schloss-Prinzip. Darin ähnelt dieser Vorgang der Bindung von Enzym und Substrat: Durch die Bindung wird ein weiterer Vorgang (beim HI-Virus das Fusionieren mit der Wirtsmembran) erst ermöglicht. HIV HIV HIV Membran (von Wirtszelle stammend) Oberflächenprotein (gp120-Antigen) HIV-RNA HIV Matrixprotein Kapselprotein (p24-Antigen) HIV-Enzyme (Reverse Transkriptase, Integrase, Protease) Reverse Transkriptase Protease CD4-Rezeptor neue HIV-Proteine selbstständiger Zusammenbau neuer HI-Viren T-Helferzelle Knospung neue HIV-RNA Integrase neue HIV-DNA alte HIVRNA alte HIVEnzyme Die Erbinformation des Virus wird von RNA auf DNA umgeschrieben: Zunächst bildet die Reverse Transkriptase einen zur Virus-RNA komplementären DNA-Einzelstrang, wodurch ein RNA-DNA-Doppelstrang entsteht. Darin wird dann die RNA durch DNA ersetzt. Den entstandenen DNA-Doppelstrang fügt das Enzym Integrase in das Genom der T-Helferzelle ein. So wird er bei Zellteilungen mit vermehrt. Durch Transkription der HIV-DNA entsteht wieder einzelsträngige RNA. Zudem werden Vorstufen der viralen Proteine synthetisiert und durch die Protease aktiviert. Die neuen viralen Bestandteile setzen sich zu kompletten Viren zusammen und verlassen durch Knospung die T-Helferzelle. Das HI-Virus gibt seine Erbsubstanz (einzelsträngige RNA) sowie die drei eigenen Enzyme in das Zytoplasma der T-Helferzelle ab. Kontakt zwischen dem Virusprotein gp120 und dem CD4-Rezeptor einer T-Helferzelle führt zum Verschmelzen von Virushülle und Zellmembran. Abb.17: Vermehrungszyklus eines HI-Virus. Die Virus-RNA wird zunächst in DNA umgeschrieben. Diese DNA wird dann in das Erbgut der Wirtszelle eingebaut. HI-Viren werden a) durch Teilung der Wirtszelle, b) v. a. aber durch Neusynthese in der Wirtszelle vermehrt (wobei die Zelle abstirbt) 1 gp120: Glykoprotein (Makromolekül, das aus einem Proteinteil und einem oder mehreren Zuckermolekülen besteht; siehe am Puls 5, Kapitel 2) auf der Oberfläche von HIV-Partikeln. Die Zahl „120“ bezeichnet die Molekülmasse von 120 kDa (kilo-Dalton; 1 Dalton = 1,66 · 10-27 kg). 2 CD4-Rezeptor: ebenfalls ein Glykoprotein; kommt vor auf der Oberfläche von Monozyten, Makrophagen und T-Helferzellen (siehe am Puls 6, Kapitel 7), aber auch auf einigen Zellen des Zentralen Nervensystems und des Magen-Darm-Trakts 3 Reverse Transkriptase: siehe S. 33; „Revers“ (= zurück) bedeutet, dass die Transkription durch die Reverse Transkriptase auch umgekehrt verlaufen kann. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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