32 Viren: Struktur und Herkunft Im Vergleich zu Lebewesen, selbst zu Bakterien, sind Viren relativ einfach aufgebaut. Viren sind keine Zellen und haben keinen Stoffwechsel. Sie besitzen weder Zellwände oder eine eigene Membran noch Zellorganellen wie Ribosomen. Stattdessen bestehen sie aus einer Kapsel aus Proteinen oder Ribonukleoproteinen (Proteinkomplexe, die RNA enthalten). Diese Kapsel wird Capsid genannt und umgibt die virale Erbsubstanz DNA1 oder RNA (kAbb. 8). Je nach Virus liegt diese als einfacher oder als Doppelstrang vor. Viren sind daher keine Lebewesen, brauchen aber lebende Zellen für ihre Vermehrung. Man kann sie somit als Parasiten bzw. parasitäre Teilchen bezeichnen. 1 DNA: Desoxyribonukleinsäure; Träger der Erbinformation aller Lebewesen Manche Viren sind zusätzlich von einer Lipiddoppelschicht umgeben, die von der befallenen Wirtszelle stammt, in der das betreffende Virus entstanden ist und virale Proteine enthält. Diese Viren nennt man „behüllt“. Dank der Hülle kann das Virus mit der Wirtszelle fusionieren und dabei sein Erbmaterial in die Zelle abgeben (zB Grippevirus, kAbb. 8). Außerdem tarnt die Hülle das Virus in gewissem Maße vor der Immunabwehr des Wirts und schützt teilweise vor Umwelteinflüssen. Je nach Virus sind die Übertragungswege unterschiedlich: Grippeviren werden durch Tröpfcheninfektion (kAbb. 8), HIV beim Geschlechtsverkehr oder Stillen, Ebolaviren durch Verzehr kontaminierter Nahrung oder Kontakt mit Körperflüssigkeiten infizierter Personen, Windpocken-Viren durch Tröpfcheninfektion über die Luft verbreitet. Viren sind keine Lebewesen, sondern parasitäre Teilchen Grippevirus Lunge Rachen Nasenraum Tröpfchen Die Erbsubstanz enthält alle Informationen zum Bau neuer Viren. Ein Capsid (Proteinhülle) umschließt die Erbsubstanz. Eine Hüllmembran umgibt das Capsid. Proteine ragen aus der Hüllmembran. Sie sind für jeden Virustyp spezifisch. Grippeviren werden verbreitet durch Tröpfcheninfektion beim Niesen, Husten oder Sprechen. Abb.8: Aufbau und Übertragung von Grippeviren. Bisher ist unklar, wie Viren entstanden sind. In der Wissenschaft herrschen dazu verschiedene Meinungen: Da Viren teilweise Erbgutabschnitte besitzen, die mit denen ihrer Wirte identisch sind, könnte es sein, dass es sich um selbstständig gewordene Gene (Chromosomenteilchen) handelt, die von den Wirtszellen nicht mehr gesteuert werden. Allerdings zeigen Erbgutanalysen mancher Viren, dass der Teil, der möglicherweise von einer Wirtszelle stammt, eher gering ist. Beispielsweise sind weniger als 1 % der Gene des Mimivirus offenbar vom Wirt übernommen. Das Mimivirus infiziert Amöben und ist mit ca. 400 nm Durchmesser eines der größten bisher entdeckten Viren (kAbb. 9). Zudem zeigen einige völlig unterschiedliche Viren eine erstaunliche Übereinstimmung im Aufbau ihres Capsids. Daher gehen andere Forscherinnen und Forscher davon aus, dass es Viren bereits gab, bevor zelluläres Leben entstand, und dass es Viren waren, die ihrerseits Spuren viraler Gene in den von ihnen befallenen Zellen hinterließen. Wieder andere nehmen an, dass es vor den heutigen Zellen mit DNA als Erbmaterial so genannte RNA-Zellen gab, die von RNA-Viren parasitiert wurden. Die Entstehung von DNA-Zellen wurde gemäß dieser Theorie maßgeblich von RNA-Viren beeinflusst, weil die Wirtszelle auf diese Weise dem RNA-Parasitismus zunächst entkam. Vielleicht ist die Herkunft verschiedener Viren auch sehr unterschiedlich. Jedenfalls besteht in diesem Bereich noch Forschungsbedarf. Abb. 9: Mimivirus. Im Inneren befindet sich dicht gepackte DNA (schwarz), umgeben von einem Kapsid und der Hüllmembran (beides grau), aus der Proteine nach außen ragen. Die Entstehung der ersten Viren ist noch nicht geklärt Variabilität, Verwandtschaft, Geschichte und Evolution Ob Viren vor Zellen existierten oder umgekehrt, wird in der Wissenschaft sehr unterschiedlich diskutiert. In jedem Fall beeinflussen Viren die Evolution ihrer Wirte und umgekehrt. 100 nm Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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