am Puls Biologie 6, Schulbuch

Aufgaben 23 Nervensystem 1.4 Störungen des Nervensystems Neuronale Störungen im Überblick Bei einem System, das so komplex ist wie unser Nervensystem, kann es natürlich zu Störungen und Fehlfunktionen kommen. Neben genetisch bedingten Störungen können Infektionskrankheiten auftreten, wie zB die Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME), eine Gehirnhautentzündung. Diese Erkrankung wird von Viren hervorgerufen, die im Speichel von Zecken übertragen werden. Andere neurologische Störungen kommen durch die Aufnahme von Stoffen wie Drogen oder Medikamente zu Stande, etwa durch Nikotin. Wiederum andere Erkrankungen haben vielfältige und oft noch unverstandene Ursachen. Bei Multipler Sklerose (MS) beispielsweise greift das Immunsystem die Myelinscheide der Neuronen an. Bekannt sind auch Krankheiten wie Morbus1 Alzheimer und Morbus Parkinson. Erstere ist eine Störung, bei der die Neuronen im Gehirn absterben, was sich in fortschreitender Demenz äußert. Bei der Parkinson-Krankheit sterben in einem bestimmten Hirnbereich Neuronen ab, die Dopamin als Neurotransmitter produzieren. Dadurch kommt es zu einer gehemmten und zittrigen Bewegung. Weitere bekannte neurologische Störungen sind Epilepsie, Migräne oder Depressionen, wobei der Übergang zu psychischen Störungen2 fließend ist. 1 Morbus: morbus (lat.) = Krankheit; gibt in der Medizin in Kombination mit dem Namen des Erstbeschreibers einer Erkrankung einen Namen 2 psychische Störungen: betreffen im Unterschied zu neurologischen Störungen nicht einen abgegrenzten Bereich des Nervensystems, sondern das gesamte Gehirn Neuronale Störungen können durch vielfältige Faktoren verursacht werden Medikamente, Drogen und Gifte beeinflussen die synaptische Übertragung Raucherinnen und Raucher beeinflussen mit jeder Zigarette ihre synaptische Übertragung. Der Wirkstoff Nikotin ist ein pflanzlicher Giftstoff, der in den Blättern der Tabakpflanze vorkommt. Ein Milligramm Nikotin pro Kilogramm Körpergewicht ist bei Erwachsenen bereits eine tödliche Dosis. Kleinkinder können schon an der Nikotinmenge einer einzigen Zigarette sterben. Beim Inhalieren des Rauches wird das Nikotin über die Lunge ins Blut aufgenommen und im Körper verteilt. Die Nikotinmoleküle setzen sich an die Bindungsstellen bestimmter Acetylcholin-Rezeptoren und öffnen die Kanäle. Dazu kann Nikotin (als kleines Molekül) die Blut-HirnSchranke3 überwinden, wo es direkt auf das Belohnungszentrum einwirkt: Stoffe wie Serotonin oder Endorphine, die Glücksgefühle bewirken, werden freigesetzt. Allerdings stellt sich das Belohnungszentrum schon nach kurzer Zeit so ein, dass der Zustand mit Nikotin als Normalzustand wirkt, also nicht mehr positiv wirkt. Dafür empfindet man fehlendes Nikotin als „Unterglück“ – man wird süchtig nach Nikotin. Nervengifte werden aber auch von verschiedenen Lebewesen wie Pilzen, Spinnen, Amphibien, Meeresschnecken oder Schlangen produziert. Diese setzen die Gifte als Schutz ein oder um Beute zu töten. Ein Beispiel ist Curare, ein Gift südamerikanischer Lianen, das als Pfeilgift bekannt ist. Das Molekül setzt sich an die Acetylcholin-Bindungsstellen der Rezeptoren, ohne die Kanäle zu öffnen. Dadurch werden Synapsen (v. a. zwischen Neuronen und Muskelzellen) blockiert, da Acetylcholin keine Andockstellen mehr findet. Die Folgen sind Muskellähmung und Atemstillstand. Andere bekannte Nervengifte sind das Gift des Fliegenpilzes oder das Bakteriengift Botulinumtoxin sowie das als chemische Waffe entwickelte Gas Sarin. Das Nikotin ist nur ein Beispiel für die Suchtwirkung von Drogen, viele illegale Drogen wirken ebenso auf das Gehirn: Ecstasy (Wirkstoff: Amphetamin) setzt zB das körpereigene Warnsystem außer Kraft, das vor Erschöpfung warnt – und wirkt daher aufputschend. Häufiger Konsum führt zu Serotoninmangel und damit Antriebslosigkeit. Ähnlich, aber stärker, wirkt Crystal Meth (Wirkstoff: Methamphetamin), das durch eine Überdosis tödliche Wirkung haben kann (Nierenversagen, Herzstillstand). Sehr schnell süchtig macht Kokain, das berauschend und euphorisierend wirkt, aber auch Halluzinationen, Ängste oder Psychosen hervorrufen kann. 3 Blut-Hirn-Schranke: dichte Abgrenzung der Blutgefäße vom ZNS; Während Blutgefäße normalerweise den Durchtritt von Zellen ermöglichen (zB zur Immunabwehr), sind die Gefäßzellen im ZNS sehr dicht miteinander verbunden. So sind Gehirn und Rückenmark vor Krankheitserregern und vielen Giften geschützt. Nikotin ist ein Nervengift, das ua. auf das Belohnungszentrum im Gehirn wirkt Variabilität, Verwandtschaft, Geschichte und Evolution Viele Lebewesen setzen Nervengifte ein, um sich zu vor Feinden zu schützen oder um Beute zu töten bzw. zu lähmen. Im Laufe der Evolution entstanden diese Giftstoffe, sozusagen im „Wettrüsten“ mit dem Nervensystem, das die Tiere zunehmend schneller und effektiver machte. Das Nervengift Curare blockiert Synapsen zwischen Neuronen und Muskelzellen 1 W Eine große Gefahr für Kleinkinder ist das Kauen oder Verschlucken von Zigaretten. Zähle Möglichkeiten auf, wie dieses Risiko minimiert werden kann und wie Erste Hilfe geleistet werden kann, wenn ein Kleinkind eine Zigarette verschluckt. Nur zu Prüfzwecke – Eigentum des Verlags öbv

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