am Puls Biologie 6, Schulbuch

22 Lernen mit Synapsen? Wie kannst du Englisch-Vokabeln am besten lernen, so dass sie dauerhaft abrufbar sind? Wie merkst du dir Namen und Gesichter deiner Freundinnen und Freunde? Bereits 1949 stellte Donald Hebb1 die Vermutung auf, dass Lernen eine Veränderung an Synapsen darstellt. Hebb nahm an, dass durch häufige Verwendung einer Synapse die Aktivierung der Zielzelle verstärkt wird. Anders gesagt: Je öfter zwei Neuronen miteinander kommunizieren, umso leichter fällt ihnen das. Wie kann das sein? Hier gibt es verschiedene Ursachen. So kann die präsynaptische Zelle entweder die Menge an freigesetztem Neurotransmitter erhöhen oder die Geschwindigkeit, mit der die Transmittermoleküle wieder aufgenommen werden. Postsynaptisch kann die Anzahl der Rezeptoren erhöht werden, so dass die Reaktion auf Freisetzung von Transmittern stärker ausfällt. Man nennt diese Verstärkung der Übertragung auch Potenzierung. (Bei manchen Neuronen kann es durch häufigen Gebrauch auch zu einer Abschwächung der Aktivierung oder Depression kommen, dies entspricht dann einem Gewöhnungseffekt.) Die Änderung der Übertragungsstärke kann einige Millisekunden, aber auch Stunden oder das ganze Leben andauern. Entsprechend spricht man von Langzeit- oder Kurzzeitpotenzierung (oder -depression). Das Phänomen der Langzeitpotenzierung (im Sinne des eingangs erwähnten Lernens) wurde an bestimmten Neuronen nachgewiesen und im Detail erforscht (kAbb. 16). Dabei handelt es sich um Neuronen, die Glutamat2 als Neurotransmitter verwenden. Hier spielen zwei Glutamat-Rezeptoren eine Rolle: Die Freisetzung von Glutamat führt zum Öffnen der AMPA-Rezeptoren (Amino-Methyl- Propionic-Acid), wodurch kurzzeitig ein Aktionspotenzial ausgelöst wird (kAbb. 16 a). Bei wiederholter, hochfrequenter (bis zu 200Hz) Aktivierung wird der zweite Rezeptortyp aktiv (kAbb. 16b): NMDA-Rezeptoren (N-Methyl-D-Aspartat) sind normalerweise durch ein Mg2+-Ion verschlossen, werden aber durch die starke Aktivierung geöffnet. Dadurch strömt neben Na+ auch Ca2+ ein. Diese Ionen aktivieren spezielle Enzyme, die Phosphatgruppen an die AMPA-Rezeptoren binden, wodurch deren Leitfähigkeit steigt. Dadurch können die AMPA- Rezeptoren in Folge besser arbeiten, sprich, das Signal stärker leiten. Zusätzlich kommt es zum Einbau weiterer Rezeptoren und in Folge zu einem Wachstum der gesamten Synapse. Dieser sehr komplizierte Prozess verdeutlicht beispielhaft, wie durch wiederholte Erregung einer Synapse die Übertragung langfristig verbessert wurde. Auf diese Art und Weise gelangen Inhalte in dein Langzeitgedächtnis – Englischvokabeln wie Namen. 1 Donald Hebb: kanadischer Psychobiologe, 1904–1985; Er stellte die nach ihm benannte Lernregel auf. 2 Glutamat: Das Anion der Aminosäure Glutaminsäure ist eines von mehreren bekannten Neurotransmittern (neben dem auf S. 21 erwähnten Acetylcholin). Glutamat kommt in unseren Zellen an verschiedenen Stellen vor. Wie alle Aminosäuren ist es Bestandteil von Proteinen (vgl. Band 5), bekannt ist Glutamat aber auch als Geschmacksverstärker – neben den bekannten Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig und bitter gibt es auf unserer Zunge auch Geschmacksknospen für Glutamat (die dazugehörige Geschmacksempfindung wird als pikant oder umami bezeichnet, siehe S. 29). Häufiger Gebrauch von Synapsen kann diese verändern, so dass sie zukünftig stärker (oder schwächer) erregbar sind Die Langzeitpotenzierung von Synapsen im Langzeitgedächtnis führt zur Veränderung und Vermehrung der Rezeptoren Steuerung und Regelung Diese Anpassung von Synapsen ist ein Beispiel für biologische Regelung: Durch verstärkten Gebrauch verändert sich ein System auf molekularer Ebene in Richtung verbesserter Effizienz. Leider erfolgt ein derartiges „Lernen“ auch beim Konsum von Suchtgiften: Auch hier verändern sich Rezeptoren, wodurch Süchtige immer größere Mengen des Suchtgiftes benötigen – mit zum Teil fatalen Folgen. geringe Aktionspotenzialfrequenz hohe Aktionspotenzialfrequenz Glutamat postsynaptisches Neuron gering aktiv postsynaptisches Neuron lange aktiv (LTP) K+ NMDAGlutamatRezeptor AMPAGlutamatRezeptor Mg2+ Na+ Vesikel mit Glutamat Enzym Na+ Ca2+ Mg2+ K+ Die NMDA-Rezeptorkanäle sind beim Ruhepotenzial durch ein Magnesium-Ion verschlossen. Die AMPA-Rezeptorkanäle können durch den Neurotransmitter Glutamat für 1 ms geöffnet werden. Depolarisation der post- synaptischen Membran entfernt das MagnesiumIon; Na+ und Ca2+ strömen für 100 ms ein. Die AMPA-Rezeptorkanäle werden von Ca2+-abhängigen Enzymen phosphoryliert. Weitere GlutamatRezeptoren werden eingebaut. Abb.16: Veränderung an der Synapse durch häufige Verwendung. Hier ist die so genannte Langzeitpotenzierung (long-time potentation, LTP) dargestellt, das heißt, durch wiederholten Gebrauch der Synapse erhöht sich längerfristig die Anzahl an Rezeptoren in der postsynaptischen Membran. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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