am Puls Biologie 6, Schulbuch

159 Verhaltensbiologie Schlüsselreize Verhalten kann durch innere und äußere Impulsgeber ausgelöst werden. Jungvögel betteln erst dann, wenn sie hungrig sind, und ein männlicher Kanarienvogel singt erst dann besonders eindrucksvoll, wenn er zur Paarung bereit ist (innere Impulsgeber). Wenn ein anderes Männchen in das Revier eines männlichen Rotkehlchens eindringt, so wird dieses sofort attackiert. Aber auch ein Federbüschel oder eine Attrappe mit rotem Brustfleck kann dasselbe Verhalten hervorrufen (äußere Impulsgeber). Äußere Impulsgeber sind oft sehr einfache Muster oder Formen. Man nennt sie dann Schlüsselreize. Mit Hilfe von Versuchen mit Attrappen lässt sich ermitteln, welche Aspekte einen Schlüsselreiz ausmachen und wie Lernen und Erfahrung die genetisch bedingte Reaktion auf diesen Auslöser verändern können. Schlüsselreize werden schnell erkannt und lösen fast unmittelbar die angeborene Reaktion aus. Abb. 3: Rotkehlchen. Männliche Rotkehlchen reagieren auf den roten Brustfleck: Sie greifen Attrappen mit roten, aber nicht mit blauen oder grünen Brustflecken an. Der Vorteil dieses simplen Entscheidungsmechanismus liegt in seiner Schnelligkeit. Es müssen keine aufgenommenen Reize mit gespeicherten Erinnerungen verglichen werden. Die Reaktion kann sofort erfolgen. Der Vorteil von Schlüsselreizen liegt in der Schnelligkeit der Reaktion, die sie auslösen Information und Kommunikation Schlüsselreize enthalten eine spezielle Information, die sofort erkannt wird. Konrad Lorenz und die Anfänge der Verhaltensforschung Einer der bekanntesten österreichischen Naturwissenschafter war mit Sicherheit der Biologe Konrad Lorenz (1903–1989). Er studierte das angeborene Verhalten von Tieren, insbesondere von Graugänsen und Krähen. Die Vorstellung, dass Schlüsselreize von einem speziellen, angeborenen Auslösemechanismus erkannt werden und Tiere auf entsprechende Reize automatisch reagieren, sobald äußere oder innere Reize eine gewisse Schwelle erreichen, geht auf ihn und seinen Kollegen Nikolaas Tinbergen (1907–1988), einen niederländisch-­ britischen Zoologen, zurück. Die beiden Forscher begründeten die vergleichende Verhaltensforschung und gelten als Wegbereiter der Verhaltensbiologie. Für ihre bahnbrechenden Untersuchungen erhielten sie 1973 zusammen mit dem österreichischen Zoologen Karl von Frisch (1886–1982) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Karl von Frisch erforschte vor allem die Kommunikation der Bienen und gilt als Entdecker der „Bienensprache“ (siehe S. 163 und S. 165). Konrad Lorenz vertrat die Sichtweise, dass man, um das Verhalten eines Tieres richtig zu verstehen, das Tier in seiner natürlichen Umgebung beobachten müsste. Verhaltensbiologen und -biologinnen ergründen das Verhalten von Tieren durch Beobachtung und Experimente Abb. 4: Karl von Frisch, Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen. Die drei Verhaltensforscher bekamen für ihre Forschungsarbeiten 1973 gemeinsam den Nobelpreis verliehen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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