am Puls Biologie 6, Schulbuch

Aufgaben 158 Zweckursachen erklären wozu eine Verhaltensweise erfolgt Wird der oben erwähnte Staat der Schmalbrustameisen noch etwas länger beobachtet, so zeigt sich, dass die aggressivsten Arbeiterinnen damit beginnen, unfruchtbare Eier zu legen, aus denen sich Männchen entwickeln. Durch die Aggression werden Rangordnungen aufgebaut. Die ranghöchsten Individuen pflanzen sich daraufhin fort. Der Zweck des aggressiven Verhaltens ist also, Rangordnungen herzustellen und damit zu entscheiden wer sich fortpflanzen darf. Zweckursachen oder ultimate Ursachen nennen Verhaltensbiologinnen und -biologen jene Ursachen, die erklären wozu eine Verhaltensweise erfolgt. Die ultimaten Ursachen erklären, welchen Nutzen oder Anpassungswert das Verhalten für ein Tier hat, das heißt wie es sich auf sein Überleben oder das Überleben seiner Nachkommen auswirkt. Ultimate Ursachen beantworten also zwei grundlegende Fragen: Welchen Nutzen hat eine Verhaltensweise? Und: Wie ist diese Verhaltensweise im Laufe der Evolution entstanden? Zweckursachen erklären den evolutionären Nutzen einer Verhaltensweise 1 W Kaspar Hauser war ein Jugendlicher, der 1828 mit 16 Jahren in Nürnberg in Deutschland aufgegriffen wurde. Er gab an, dass er zeitlebens völlig alleine in einem dunklen Raum gefangen gehalten wurde. Aus dem Beispiel von Kaspar Hauser weiß man, dass der völlige Entzug sozialer Kontakte gerade bei höher entwickelten Tieren und beim Menschen zu anormalem Verhalten führt. Recherchiere über die Symptome dieses Phänomens, welches man Hospitalismus oder Deprivationsstörung nennt. Erkläre woher diese Störung ihren Namen bekommen hat. 2 E Argumentiere, warum Verhaltensexperimente mit Tieren, die völlig alleine aufgezogen und gehalten werden, wenig verlässlich sind. Angeborene und erlernte Verhaltensweisen Meist beruht Verhalten auf einem Zusammenspiel von angeborenen (genetisch festgelegten) und umweltbeeinflussten Einflüssen. Bei einfachen, aber auch bei einigen komplexeren Verhaltensweisen, können die genetisch bedingten Anteile überwiegen. Jungvögel beispielsweise betteln im Nest gezielt nach Futter, und Webspinnen bauen ihre Netze, ohne dass sie dies erst bei älteren Artgenossen abschauen müssen. Auch beim Menschen gibt es solche angeborenen Verhaltensweisen, wie den Klammerreflex bei Neugeborenen (kAbb. 2). Angeborene Verhaltensweisen sind häufig artspezifisch, das heißt, alle Individuen einer Art zeigen dasselbe Verhalten und es läuft auch in unterschiedlichen Situationen gleichförmig ab. So bauen Spinnen an ihrem Netz weiter, auch wenn die Netzstruktur durch Hindernisse zerstört wird. Angeborenes Verhalten kann von Vorteil sein, wenn Tiere ohne Kontakt zu Eltern und Artgenossen aufwachsen und sich dennoch sofort zurechtfinden müssen, etwa beim ersten Kontakt mit einem Raubtier. Junge Eichkätzchen, die zum ersten Mal einer angreifenden Katze begegnen, fliehen beispielsweise sofort in dünnes Geäst, auch wenn sie ohne Elterntier aufgezogen wurden. Meist wird angeborenes Verhalten aber durch Lernen und Erfahrung modifiziert. Dazu wirst du im nächsten Abschnitt (siehe S. 160 ff.) noch mehr erfahren. Tiere haben dadurch die Möglichkeit, ihr Verhalten auf die Umweltbedingungen exakt abzustimmen. Auch wenn in vielen Fällen ein genetischer Einfluss auf eine Verhaltensweise besteht, so ist meist unklar, wie genau diese Gene das Verhalten steuern. Die Forschung ist sich heute darüber im Klaren, dass die meisten komplexen Verhaltensweisen von Menschen und Tieren nicht durch einzelne sondern durch sehr viele Gene beeinflusst sind, die außerdem mit Umwelteinflüssen zusammenspielen und so das Verhalten beeinflussen. Die meisten Verhaltensweisen sind teilweise angeboren und teilweise umweltbeeinflusst Abb. 2: Klammerreflex. Neugeborene zeigen bei überraschendem Zurücklehnen einen Klammerreflex (Moro-Reflex). Sie öffnen ruckartig ihre Arme und spreizen die Finger. Dann legen sie die Arme wieder an, so als ob sie etwas umarmen würden, und ballen die Hände zur Faust. Der Reflex besteht nur während der ersten Monate. Bei Affen, bei denen sich Neugeborene selber festklammern, verhindert der Moro-Reflex das Herunterfallen vom Körper der Mutter. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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