am Puls Biologie 5, Schulbuch

70 Gärungen liefern auch bei Sauerstoffmangel Energie Kennst du das Gefühl, wenn du mit dem Fahrrad einen Berg hinauf radelst und der Anstieg kein Ende nimmt? Irgendwann stehst du aus dem Sattel auf und trittst im Stehen weiter, aber die Anstrengung wird trotzdem immer größer. Dein Puls rast und du atmest heftig. Die Muskeln in den Beinen beginnen zu brennen. Jetzt hilft nur noch absteigen und ausruhen. Dein Stoffwechsel hat sich bei der andauernden Anstrengung verändert: Die Muskeln deiner Beine haben von aerober Energiefreisetzung1 auf anaerobe Energiefreisetzung1 umgestellt, weil die Muskelzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wurden. Obwohl deine Muskeln zur anaeroben Energie- freisetzung fähig sind, ist das nur eine kurze Notlösung, denn ohne ausreichend Sauerstoff kommen die Reaktionen der Zellatmung fast vollständig zum Erliegen. Was den Zellen fehlt, ist ein Elektronenakzeptor – am Ende der Atmungskette fehlt ein Molekül, das Elektronen aufnimmt. Gewöhnlich kommt diese Rolle dem Sauerstoff zu. Es kommt also zu einem Rückstau. Dieser setzt sich bis ins Zytoplasma fort und beeinträchtigt auch die Glykolyse. Was aber tut dein Körper, wenn nicht genügend Sauerstoff vorhanden ist? Du erinnerst dich, dass auch in der Glykolyse selbst ATP gewonnen werden kann, allerdings nur relativ wenig. Aber hier gibt es ein weiteres Problem: Auch in der Glykolyse wird NAD+ benötigt, nämlich als Elektronenakzeptor. Dieses liegt aber bei Sauerstoffmangel nicht vor – einzig NADH ist vorhanden. Die Lösung besteht darin, das NADH dazu zu bringen, Elektronen an andere, bereits in der Zelle vorhandene Moleküle abzugeben, um wieder NAD+ für die Glykolyse zu erhalten. Genau das geschieht bei der Gärung. Die meisten Tiere betreiben bei Sauerstoffmangel Milchsäuregärung (kAbb. 32). Dabei wird das Endprodukt der Glykolyse, das Pyruvat, zu Milchsäure (Laktat) reduziert. Es bekommt also Elektronen von NADH aufgezwungen, das nun wieder in Form von NAD+ als Elektronenakzeptor vorhanden ist. Die Bildung von Laktat ist jedoch gewissermaßen eine Sackgasse, denn die Milchsäure muss anschließend im Körper entsorgt werden. Sie muss aus den Muskeln mit dem Blut zur Leber gebracht werden. In der Leber wird das Laktat wieder zu Glukose umgebaut. Dieser Umweg im Stoffwechsel kostet sowohl zusätzliche Zeit als auch Energie in Form von ATP, und dafür ist ebenso viel Sauerstoff nötig. Wegen dieser entstandenen Sauerstoffschuld atmest du nach dem anstrengenden Bergauffahren mit dem Fahrrad noch länger heftig weiter. Das Messen des Laktats im Blut von Sportlern und Sportlerinnen nach der sportlichen Betätigung gibt Auskunft darüber, ob der Stoffwechsel in den anaeroben Bereich gekippt ist. (Mehr über den Laktattest erfährst du in Aufgabe 2 auf Seite 78.) 1 aerob/anaerob: Lebensvorgänge, die mit/ohne Sauerstoff ablaufen Bei der Gärung wird statt Sauerstoff ein anderer Elektronenakzeptor verwendet Stoff- und Energieumwandlung Gärungen sind Reaktionen im Zellstoffwechsel zur Energiefreisetzung bei Sauerstoffmangel. Sie haben den Vorteil, dass sie ohne Sauerstoff ablaufen können, sind aber weniger effizient als die aerobe Zellatmung. (C6H12O6) 2 + 2 + 2H+ + 2H+ 2 2 2 2 2 O C O - O H3C C H OH C O - O H3C C 2 CO2 H O H3C C H H H C 3C OH 2 + 2H+ 2 ADP ATP NAD+ NAD+ NAD+ NADH e– e– NADH e– e– NADH e– e– Milchsäuregärung 2 Ethanol alkoholische Gärung Glykolyse Gärung Glukose 2 Pyruvat 2 Acetaldehyd 2 Laktat Abb. 32: Milchsäuregärung und alkoholische Gärung. Viele Organismen bilden bei Sauerstoffmangel Laktat. Manche Hefepilze und einige Pflanzen betreiben bei Sauerstoffmangel alkoholische Gärung wie zB Pflanzen in Feuchtgebieten, die wegen Überschwemmungen mit Sauerstoffmangel zurecht kommen müssen. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=