am Puls Biologie 5, Schulbuch

Aufgaben 163 Botanik Blick in die Forschung Der Lotos-Effekt Die Natur als Ideengeberin für technologische Erfindungen Vor 40 Jahren fiel dem Bonner Professor Wilhelm Barthlott und seiner Arbeitsgruppe auf, dass die Blätter der Lotospflanze (k Abb. 61) nie verschmutzt aussehen, obwohl sie in schlammigen Gewässern wachsen. Irgendetwas musste dafür sorgen, dass Verunreinigungen auf ihrer Oberfläche nicht haften können. Sie schauten sich die Oberfläche der Lotosblätter im RasterElektronenmikroskop an. Dabei entdeckten sie, dass die Blätter nicht nur eine ausgeprägte Kutikula besaßen. Zusätzlich fanden sie auf deren Oberfläche eine Unmenge nur 10 bis 20 Mikrometer großer und sehr dicht stehender Wachshügel. Wie du weißt, ist Wachs stark wasserabweisend (kAbb. 62). Diese Wachshügel sind dafür verantwortlich, dass Wassertropfen die Blattoberfläche fast gar nicht berühren. Aufgrund ihrer Oberflächenspannung sehen die Tropfen auf Lotosblättern tatsächlich tropfenförmig aus (kAbb. 63). Andernfalls würden sie zerfließen, wie du beobachten kannst, wenn du Wasser auf eine Glas- oder Keramikoberfläche tropfen lässt. Für die Lotospflanze hat diese Oberflächenstruktur große Vorteile: Die leicht abperlenden Wassertropfen entfernen Schmutzpartikel, und es bleibt kein Wasserfilm auf den Blättern, in dem schädliche Pilze wachsen könnten. Mittlerweile macht man sich diesen Lotos-Effekt im Alltag zunutze. Beispielsweise gibt es Wandfarben, die aufgrund ihrer Oberflächenstruktur bei jedem Regenguss sauber gewaschen werden (kAbb. 64). Auch die Glasscheiben der Maut-Kameras auf Autobahnen sind mit einer entsprechenden Oberfläche ausgestattet. Der Lotos-Effekt zeigt, wie Beobachtungen aus der Natur zu technischen Innovationen führen können, die unseren Alltag erleichtern. Abb. 61: Lotos-Blüte. Abb. 62: Oberfläche eines Lotosblatts mit Wassertropfen und Schmutzpartikeln. Abb. 63: Oberfläche eines Lotosblatts. Aufnahme mit dem Raster-­ Elektronenmikroskop (1 250-fache Vergrößerung). Abb. 64: Technische Anwendung des Lotos-Effekts. Wassertropfen auf einer wasserabweisenden Materialoberfläche. 1 E Du kannst den Lotos-Effekt nachstellen, indem du einen Objektträger an einer Stelle berußt (zB mit einem Feuerzeug oder Teelicht). Achte dabei darauf, dass das Glas nicht so heiß wird, dass du dich verbrennst! Nachdem das Glas abgekühlt ist, tropfst du einen Wassertropfen auf die berußte Stelle und pustest ihn vorsichtig über das Glas. Was passiert? 2 E Auch einige Pflanzen, die du kennst, besitzen eine Lotos-ähnliche Oberfläche. Bestreue die Blätter der Kapuzinerkresse oder des Kohls mit Mehl und teste, ob sich das Mehl mit einigen Wassertropfen abwaschen lässt. Du kannst auch vergleichen, wie sich Honigtropfen auf Glas und Kohlblättern verhalten. 3 S Welche Bedeutung hat dieses Experiment für deinen Alltag? Finde weitere Anwendungen des Lotos-Effekts. Literatur: Barthlott, W.; Neinhuis, C.: Purity of the sacred lotus, or escape from contamination in biological surfaces. In: Planta. 1997, Vol. 202, p. 1–8. Barthlott, W.; Mail, M.; Bhushan, B.; Koch, K.: Plant Surfaces: Structures and Functions for Biomimetic Innovations. In: Nano-Micro Letters. 2017, Vol. 9, I. 23. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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