am Puls Biologie 5, Schulbuch

123 Tierphysiologie Hämoglobin: Hochkomplexer Transporter Bei der Beschreibung des Gastransportes im Blut auf der vorherigen Seite wurde erwähnt, dass O2 vorwiegend im Hämoglobin gebunden transportiert wird, während das CO2 zum größten Teil im Blutplasma gelöst ist. Warum ist das so? Ohne Hämoglobin würden unsere Zellen sehr rasch an O2-Mangel sterben! O2 ist nämlich nicht sehr gut löslich: In gelöster Form könnte ein Liter Blut nur etwa 4ml O2 transportieren. Mit Hilfe von Hämoglobin können aber in jedem Liter unseres Blutes etwa 200ml O2 transportiert werden. Nun ist es so, dass die chemischen Eigenschaften des Hämoglobins erstaunlich genau an den Bedarf eines Lebewesens angepasst sind: Hämoglobin muss O2 sehr gut – aber nicht zu gut! – binden. Schließlich muss der Sauerstoff in den Körperkapillaren ja wieder abgegeben werden. Das O2-Bindungsvermögen (die Affinität für Sauerstoff) ist für jede Tierart anders, sie unterscheidet sich auch innerhalb einer Tierart. Man denke an Tiere oder Menschen, die im Hochgebirge leben, wo viel weniger Luft (und damit Sauerstoff) vorhanden ist als in Gebieten am Meeresspiegel. Die Eigenschaften von Hämoglobin lassen sich sehr gut anhand der chemischen Struktur verstehen: Vier Protein-Untereinheiten (kAbb. 19 oben) bilden einen Proteinkomplex. Jede Einheit beherbergt eine Hämgruppe (kAbb. 19 unten) mit zentralem Eisen-Ion (Fe2+). An dieses kann ein O 2-Molekül andocken. Über die enge, aus bestimmten Aminosäuren gebildete Tasche steuert das Protein, wie leicht ein O2-Molekül das Fe2+-Ion erreicht. Umwelteinflüsse wie Temperatur oder pH-Wert ändern die Struktur und damit die O2-­ Affinität. Eine weitere Bindungstasche liegt im Zentrum des Komplexes: Dorthin passt genau ein Molekül 2,3-Diphosphoglycerat (DPG). DPG ist der wichtigste allosterische Effektor1 des Hämoglobins: Es senkt die O2-Affinität und sorgt so dafür, dass das Protein im richtigen Bereich arbeitet. Ohne DPG würde O2 zu gut gebunden sein und daher im Gewebe nicht mehr abgegeben werden. Der scheinbar einfache Transport von O2 im Blut ist in Wahrheit hochkomplex – das Hämoglobin ist eines der bestuntersuchten Proteine. 1 allosterischer Effektor: ein Stoff der durch Bindung an ein Protein (am so genannten allosterischen Zentrum) dessen aktives Zentrum aktiviert oder deaktiviert und somit die Fähigkeit zur Bindung an ein Substrat reguliert O2 wird zum Transport im Hämoglobin gebunden Die O2-Affinität hängt von mehreren Faktoren ab, denn O2 darf nicht zu locker und nicht zu fest gebunden werden Struktur und Funktion Das Hämoglobin ist ein Beispiel dafür, dass es auch auf molekularer Ebene einen Zusammenhang zwischen Form und Funktion gibt. Die Form von Molekülen – besonders Proteinen – ermöglicht ein Andocken anderer, passender Moleküle. Steuerung und Regelung Die allosterische Hemmung ist ein Beispiel für Regulation auf molekularer Ebene: Durch die Bindung eines Effektors wird die Form eines großen Moleküls so verändert, dass andere Moleküle erschwert (oder gar nicht) andocken können. Hämoglobin (Hb) α α β β Die endständige Aminogruppe (blau) der β-Untereinheit bindet CO2 . Nur 10 bis 20% des CO2 werden an Hb gebunden. Der allosterische Effektor 2,3-Diphosphoglycerat (DPG) senkt die O2-Affinität des Hb. Hb besteht aus zwei α- und zwei β-Untereinheiten. Die Hämgruppen binden O2. Abb.19: Hämoglobin. Das O2-Transportprotein besteht aus jeweils 2 α- und β-Untereinheiten. Jede Untereinheit hat als aktives Zentrum eine tiefe Tasche mit eingelagerter Hämgruppe, die aus einem ringförmigen Porphyrinmolekül mit zentralem Eisen-Ion (Fe2+) besteht. An dieses Eisen-Ion kann ein Sauerstoffmolekül andocken. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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