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54 Themenbereich 14 Wäre die Gesundheitsversorgung großteils privat, müsste man bei einem Krankenhausaufenthalt mit Rechnungen im vier- bis fünfstelligen Bereich rechnen. Eine Nacht im Krankenhaus kostet einige hundert Euro, eine MRT-Untersuchung rund 300 Euro, eine Chemotherapie bis zu 20 000 Euro. Während in den USA für den Transport im Krankenwagen bis zu 3 000 Dollar bezahlt werden müssen, übernimmt das in Österreich großteils die Krankenversicherung. Ein Unfall oder eine Krankheitsdiagnose kann in Ländern ohne Sozialstaat Menschen in die Verschuldung treiben. Wie wichtig eine öffentliche Grundversorgung ist, zeigt nicht zuletzt die Corona-Krise. Wer könnte sich ein Intensivbett leisten, das täglich 2 000 Euro kostet? Ohne Sozialstaat wäre die Armutsgefährdung in Österreich dreimal so hoch, 4 Millionen Menschen wären betroffen. Besonders alleinerziehende Mütter und Pensionistinnen wären armutsgefährdet. (https://kontrast.at/sozialstaat-einfach-erklaert/, Lena Krainz, 23.12. 2021, gekürzt, abgerufen am 10.11. 2022) M2 Sozialstaat – einfach erklärt Franz Küberl ist Leiter der Caritas. Christian Ortner gilt als streitbarer Verteidiger des Neoliberalismus und übt herbe Kritik am Sozialstaat. Ortner: Und doch ist eines der Probleme, dass hierzulande niemand überlegt, ob es Sozialleistungen gibt, die hinterfragt werden müssen. Laut Studien kann eine Familie mit zwei Kids, in der weder Vater noch Mutter arbeiten, aus allen sozialen Töpfen ein Jahreseinkommen von bis zu 24 000 Euro lukrieren. Wenn einer der beiden Elternteile einen Job annimmt, steigt das Familieneinkommen de facto nicht, weil gleichzeitig Sozialleistungen wegfallen. Die Familie wird also fürs Arbeiten bestraft. Für mich ist das ein völlig perverses Anreiz-System. Küberl: Natürlich ist es nicht klug, wenn Menschen bei Sozialleistungen sofort auf null gestellt werden. Und ohne Zweifel kann man bei den Sozialleistungen noch das ein oder andere weiterentwickeln. Was zum Beispiel? Küberl: Wir unterstützen, aber zum Arbeitsamt muss jeder selbst gehen. Den Menschen wird nicht einfach Geld zugesteckt. Ich persönlich bin der Meinung, dass soziale Transferleistungen Teil des zu versteuernden Einkommens sein sollten. Eines darf man bei der Debatte aber nie unterschätzen: Sobald es jemand mit uns zu uns tun bekommt, wird im Gegenzug viel von ihm verlangt. Die Caritas versteht sich als Reparaturwerkstätte des Gesamtkunstwerkes Mensch. Wir versuchen Menschen wieder auf Vordermann zu bringen, aber die Veränderung muss jeder wollen. Wir unterstützen nach Kräften, das ja. Aber zum Arbeitsamt muss jeder selbst marschieren. Den Menschen wird nicht einfach Geld zugesteckt, so läuft das nicht. Ortner: Die Caritas macht sicher vieles besser, meine Kritik gilt vor allem der staatlichen Sozialbürokratie, die es oft gut meint, aber das Gegenteil erreicht. Menschen mit Behinderung zum Beispiel wird es enorm schwer gemacht einen Job zu finden. Schuld daran ist paradoxerweise der Sozialstaat, der in grenzenloser Güte die Kündigung von Behinderten verbietet – und so jeden Anreiz nimmt, sie überhaupt einzustellen. Küberl: Sie haben schon Recht, manche Bestimmung darf hinterfragt werden. Mindestens ebenso wichtig ist allerdings, dass wir bei behinderten Mitmenschen mehr auf Fähigkeiten und weniger auf Defizite schauen. Siemens hat zum Beispiel herausgefunden, dass Gehörlose exzellente Techniker sein können. Ortner: Vorsicht, das ist ein kapitalistisch-marktwirtschaftlicher Zugang! Küberl: Marktwirtschaftlich ja, kapitalistisch nein. Ein Teil des Problems ist, dass wir uns zu sehr um die Defizite und zu wenig um die Stärken behinderter Mitmenschen kümmern. (http://kurier.at/politik/inland/streitgespraech-zwischen-franz-kueberl-und-christian-ortner-der-sozialstaat-eine-haengematte/37.225.765; 24. 11. 2013, abgerufen am 16. 2. 2016) M3 Der Sozialstaat – eine Hängematte? Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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