28 Themenbereich 6 „Ein wirtschaftliches Desaster“ Großbritannien versprach sich nach dem Brexit viel für die heimische Wirtschaft. Doch drei Jahre nach dem Austritt aus der EU ist die Erfolgsbilanz mager. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) fasst die Bilanz des Brexit als „wirtschaftliches Desaster“ für Großbritannien und die EU zusammen. Während die nach oben korrigierte Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) für 2023 in großen Teilen der Welt Erleichterung ausgelöst hat, herrscht im Vereinigten Königreich weiter Katerstimmung: So ist Großbritannien die einzige große fortgeschrittene Volkswirtschaft, für die die Ökonomen in diesem Jahr eine Rezession vorhergesagt haben. Nach Einschätzung der IWF-Experten wird die britische Wirtschaft dieses Jahr nicht wachsen, sondern um 0,6 Prozent schrumpfen. Das Land bildet damit das Schlusslicht in der veröffentlichten IWF-Betrachtung und schneidet selbst schlechter ab als das wegen seines Angriffskriegs auf die Ukraine mit weitgehenden Sanktionen belegte Russland. Hintergrund für die düsteren Aussichten seien die sparsame Steuer- und Geldpolitik und noch immer hohe Energiepreise. Für die konservative britische Regierung ist die Prognose am dritten Jahrestag des EU-Austritts wenig schmeichelhaft. Das schwache Wachstum sei vor allem auf den Mangel an Arbeitskräften zurückzuführen, sagte der Direktor des Institutes for Fiscal Studies. Auslöser dafür sei unter anderem der Brexit gewesen, der Einwanderung aus der EU erheblich erschwerte. In vielen Bereichen fehlen Arbeitskräfte. Früher wurden viele Berufe von EU-Bürgern ausgeübt. Davon orientierten sich jedoch viele in der Pandemie sowie rund um den Brexit um. Nun ist es wegen kostspieliger Visa nicht mehr ohne weiteres möglich, zum Arbeiten nach Großbritannien zu kommen. Doch auch andere Kennzahlen sorgen für Ernüchterung in der britischen Wirtschaft. Eines der zentralen Versprechen des Brexits war die Möglichkeit, als souveräner Staat eigene Handelsverträge frei von EU-Regularien zu schließen. Die bisher neu verhandelten Verträge etwa mit Australien oder Neuseeland wiegen die schweren Einbußen im Außenhandel mit der EU nicht annähernd auf. Und das erhoffte Freihandelsabkommen mit den USA ist in weiter Ferne. Der „Guardian“ berichtete vergangene Woche, dass Großbritannien auch seine Exportziele deutlich verfehlen dürfte. Der Anteil kleinerer Unternehmen in Großbritannien, die ins Ausland exportieren, ist nach dem Brexit zurückgegangen. Einer von acht Exporteuren hat zeitweise oder endgültig seine Verkäufe in die EU eingestellt – und ein weiteres Zehntel erwägt dies. Aktuell exportiert noch rund ein Fünftel dieser Unternehmen seine Güter oder Dienstleistungen ins Ausland. Boris Glass, leitender Ökonom bei der Rating-Agentur S&P Global, sagte, die zunehmende Bürokratie im Handel zwischen Großbritannien und der EU habe die Wettbewerbsfähigkeit vor allem kleinerer britischer Hersteller beeinträchtigt. (https://www.tagesschau.de/wirtschaft/brexit-dihk-folgen-wirtschaft-101.html, 31.1. 2023, gekürzt, abgerufen am 20. 3. 2023) M3 Drei Jahre nach dem Brexit EU-Perspektive für Nordmazedonien Im Jahr 2004 beantragte Nordmazedonien die EU-Mitgliedschaft und erhielt im Dezember 2005 den Status eines Beitrittskandidaten. Im März 2020 hat die EU Ratsschlussfolgerungen zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien angenommen. Wie für alle anderen Staaten des westlichen Balkans besteht auch für Nordmazedonien die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union – das hat der Europäische Rat in Thessaloniki im Jahr 2003 ausdrücklich festgestellt und diese auf den EU-Westbalkan Gipfeln in Sofia 2018, Zagreb 2020 und Brdo 2021 erneut bekräftigt. Im März 2020 entschied der Rat, die EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien aufzunehmen. Meilensteine auf dem Weg zum Beschluss über den Beginn der Beitrittsverhandlungen waren der Abschluss des bilateralen Freundschaftsvertrags mit Bulgarien (2017) und die Lösung der Namensfrage mit Griechenland (Prespa-Abkommen von 12. Juni 2018). Am 26.9.2019 hat sich der Bundestag für die EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien ausgesprochen und damit ein wichtiges Signal gesendet. Im Sachstandsbericht vom 2.3.2020 bescheinigte die EU-Kommission Nordmazedonien greifbare und nachhaltige Fortschritte in den Schlüsselbereichen auf Justiz und proaktive Ermittlungen, Strafverfolgungen und rechtskräftige Verurteilungen in Fällen von Korruption und organisierter Kriminalität, der Reform der Geheimdienste und Sicherheitsdienste sowie der Reform der öffentlichen Verwaltung. Am 25.3.2020 wurden Ratsschlussfolgerungen zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien angenommen. Auch im Länderbericht der EU-Kommission von 19.10.2021 sieht die EU-Kommission die Bedingungen für eine erste Beitrittskonferenz als erfüllt an und fordert Nordmazedonien gleichzeitig zu weiteren Anstrengungen insbesondere im Bereich Korruptionsbekämpfung und Justizsystem auf. Die erste Beitrittskonferenz und somit der konkrete Verhandlungsbeginn werden jedoch durch Bulgarien blockiert, das wichtige Elemente des Nachbarschaftsvertrags mit Nordmazedonien nicht erfüllt sieht. Ein Lösungsvorschlag der Ratspräsidentschaft liegt auf dem Tisch, die Gespräche zwischen Skopje und Sofia sollen zeitnah fortgesetzt werden. Seit 2007 erhält Nordmazedonien finanzielle Unterstützung der EU über das Instrument für Heranführungshilfe IPA. Dabei standen im mehrjährigen Finanzrahmen 2014–2020 der EU insgesamt rund 609 Millionen Euro für Nordmazedonien unter dem Instrument IPA II zur Verfügung. Geförderte Maßnahmen konzentrieren sich auf die Bereiche Demokratisierung und gute Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte, Umwelt, Klima und Energie, Transport, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und ländliche Entwicklung, Bildung, Beschäftigung und Soziales sowie regionale Kooperation. Auch unter dem Nachfolgeinstrument IPA III erhält Nordmazedonien im mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 substanzielle EU-Unterstützung. (https://www.lpb-bw.de/brexit#c66079, gekürzt, abgerufen am 22.5.2022) M4 Beitrittskandidat Nordmazedonien Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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