global 8. Geographie und Wirtschaftskunde, Schülerbuch

80 Fallbeispiel Bautätigkeit an der Peripherie – Tulln und Langenrohr Wie in den vorangegangenen Abschnitten dargestellt, bedarf es einer sorgfältigen Planung und Klärung von Voraussetzungen, bevor auf einem Grundstück gebaut werden darf. Das geplante Bauvorhaben entspricht der örtlichen Raumorganisation, widerspricht nicht dem örtlichen Raumentwicklungskonzept und sollte auf einer Fläche entstehen, deren Widmung die Errichtung auch zulässt. Doch selbst wenn sämtliche Bedingungen beachtet wurden, bedeutet dies klarerweise nicht, dass alle Betroffenen mit dem Vorhaben auch einverstanden sind. Durch unterschiedliche Interessen und Vorstellungen herrscht immer ein gewisses Konfliktpotenzial. Ein gutes Beispiel für die Reichweite eines Bauvorhabens stellen Einkaufszentren dar. Einkaufszentren können in unterschiedlichen Formen ausfallen: zB ein einzelnes (großes) Gebäude, das viele Geschäfte beherbergt, oder einzelne (verbundene oder nicht verbundene) Gebäude, die sich auf einem größeren Areal befinden, die die jeweiligen Betriebe beherbergen. Beiden Formen ist die komprimierte Lage des Handels gemeinsam. Diese sollte zusammen mit einer hohen Diversität von Geschäften und einem weitreichenden Branchen-Mix attraktiv für Besucherinnen und Besucher sein. Durch viele unterschiedliche Einkaufsmöglichkeiten sparen die Kundinnen und Kunden Wege und Zeit. Die Betreiberinnen und Betreiber eines Geschäfts können dadurch mit mehr Laufkundschaft rechnen, außerdem ziehen der Ruf und die Möglichkeiten, die das Einkaufszentrum bietet, mehr potenzielle Kundinnen und Kunden von außerhalb des eigentlichen Einzugsgebietes an. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Parkplatzsituation. Ein Blick auf die Verortung österreichischer Einkaufszentren zeigt, dass diese häufig in der Peripherie eines Ortes entstanden sind. Der Grund sind die wesentlich billigeren Grundstücke. Gleichzeitig gibt es keine oder kaum vorhandene Infrastruktur, die extra dafür angelegt werden muss. Durch die Lage des Einkaufszentrums ist es oft notwendig, eine längere Anfahrt in Kauf zu nehmen; Anbindungen zu öffentlichen Verkehrsmittel entstehen erst im Laufe der Zeit. Ein Großteil der vorhandenen Geschäftsflächen wird von Unternehmen geführt, die zuvor bereits im Ort angesiedelt waren, aber mit dem Bau des Einkaufszentrums wegen der bereits genannten Gründe umzogen. Dies hat zur Folge, dass ganze Stadtteile, zumeist die Ortskerne, verwaisen. Dadurch bleiben Besucherinnen und Besucher und Kundinnen und Kunden aus, was wiederum dazu führt, dass ein erneutes Ansiedeln von neuen Unternehmen sich als sehr schwierig erweist. Es entsteht ein Teufelskreis, der schwer zu durchbrechen ist. Fallbeispiel Langenrohr und Tulln In den Jahren 1994/95 entschloss sich die Stadt Tulln zum Bau einer Umfahrung samt Donaubrücke im Westen der Gemeinde. Das verbesserte unter anderem auch die Verkehrsanbindung der Nachbargemeinde Langenrohr. Um diese Anbindung wirtschaftlich zu nutzen, wurde in der Folge zur neuen Umfahrung (und damit zur Gemeinde Tulln) angrenzend eine als Grünland gewidmete Fläche in Bauland umgewidmet. Dies stieß in Tulln auf großen Widerstand, der Umwidmung wurde schließlich dennoch stattgegeben. Das als Betriebsgebiet I bezeichnete Areal, das in der Peripherie sowohl von Langenrohr als auch von Tulln liegt, zog daraufhin zahlreiche renommierte Handels- und Dienstleistungsbetriebe an. Zusätzlich wurde zu Beginn der 2000-er Jahre das Areal um Betriebsgebiet II erweitert. Durch den Bau dieses gewachsenen Einkaufszentrums hat sich die Anzahl der nichtlandwirtschaftlichen Betriebe und Arbeitsplätze der Gemeinde Langenrohr verdoppelt. Gleichzeitig kam es zu einem starken Strukturwandel der örtlichen Betriebe: Die traditionellen Betriebe im Ort dienen fast nur der Nahversorgung, Fachbetriebe befinden sich in den Betriebsgebieten. Um die stadteigene Kaufkraft nicht an die Nachbargemeinde zu verlieren, entschloss man sich in Tulln ebenfalls zum Bau eines Einkaufszentrums. Um der Abwanderung örtlicher Betriebe in entlegenere Gebiete entgegenzuwirken, wurde dieses allerdings inmitten der Stadt am Hauptplatz realisiert. Dabei galt es, das Ortsbild der historischen Altstadt zu schützen. Nach eigenen Angaben erfolgte die Umsetzung des Einkaufszentrums „ausreichend zurückhaltend, aber auffallend genug um Passanten und Stadtbesucher in das moderne Einkaufszentrum zu bringen.“ Ziel des Baus war die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die „Belebung der Innenstadt“ durch Wahrung der Kaufkraft im Zentrum der Stadt. M1 Einkaufszentrum Langenrohr (Foto 2017) Kompetenzorientierte Lernziele Ziele, Gestaltungsspielräume und Auswirkungen der Raumordnung erklären die Vor- und Nachteile eines Einkaufszentrums inmitten einer Stadt erkennen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verla s öbv

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