global 8. Geographie und Wirtschaftskunde, Schülerbuch

108 Fallbeispiel Jugendliche in Städten Wie viel Raum haben Jugendliche in Städten? Jugendliche sind in Städten allgegenwärtig und beleben den öffentlichen Raum. Sie nutzen vor allem die Freiräume so aktiv wie kaum eine andere Altersgruppe. Die Stadt dient für sie als Spiel-, Erlebnis-, Gemeinschafts- und Aufenthaltsraum. Sie nutzen die Frei- und öffentlichen Räume als Begegnungsraum und „Bühne“ für ihre Aktivitäten, in denen sie mit Gleichaltrigen kommunizieren, interagieren und sich repräsentieren. Dort können sie sich abseits von schulischer und elterlicher Kontrolle entfalten und sozialisieren. Jugendliche suchen sich im öffentlichen Raum aber auch Nischen, in denen sie mit ihren Cliquen unter sich sein können. Das Zusammenkommen in Gruppen mit ähnlichen Interessen und Freizeitaktivitäten zeigt einerseits den Wunsch nach Zusammengehörigkeit und drückt andererseits aus, dass sie sich von anderen Gruppen klar abgrenzen wollen. Wie sich diese Peer Group zusammensetzt und wo sie sich aufhält, hängt stark davon ab, in welchem soziokulturellen Milieu die Mitglieder aufgewachsen sind. Beliebte Räume bei Jugendlichen sind Parks und Freiflächen rund um öffentliche Plätze. Dort treffen sie sich zum „Abhängen“ oder üben Sportarten wie Skaten, Parkour und Slacklining aus. Die Innenstädte haben mit ihren zahlreichen Aufenthalts- und Einkaufsmöglichkeiten eine starke Anziehung auf Jugendliche. Dort besuchen sie Kinos, Musikläden, Einkaufszentren, Lokale und Jugendzentren. Allerdings können nicht alle Jugendliche gleichermaßen an sämtlichen Aktivitäten teilnehmen. Sozioökonomische Voraussetzungen schaffen Unterschiede Der Bewegungsradius von Jugendlichen um ihr Elternhaus steigt mit dem Alter tendenziell an und hängt auch vom Milieu ab, in dem die Jugendlichen aufgewachsen sind. Jugendliche aus sozial schwächeren Gegenden halten sich tendenziell eher in der Nachbarschaft auf. Vielen fehlen auch die finanziellen Mittel, um an Aktivitäten, die Geld kosten, teilnehmen zu können. Für Jugendliche, die kein oder nur wenig Taschengeld bekommen, ist ein Besuch im Kino oder ein Bummel im Einkaufszentrum nicht möglich. Somit kommt es zu einer Segregation, die dazu führt, dass sich, je nach Einkommen der Eltern, bestimmte Jugendliche in bestimmten städtischen Räumen aufhalten, deren Besuch für andere schlichtweg nicht möglich oder sinnvoll ist. Jugendliche in der Stadt – unerwünscht? Es gibt kaum Plätze in der Stadt, die von der Stadtplanung für Jugendliche vorgesehen sind. Deshalb funktionieren sie Orte auch um und nutzen beispielsweise Vorbereiche von Einkaufszentren oder Bushaltestellen als abendlichen Treffpunkt und machen Restflächen unter Brücken zu Skaterparks. Die genutzten Räume werden verändert, weil sich auch die Jugendlichen in einer Orientierungsphase befinden und sich laufend selbst neu definieren. Damit treten häufig Nutzungskonflikte auf, da Jugendliche die Räume oft anders als andere Altersgruppen nutzen, und somit ein Spannungsfeld entsteht. So nutzen Jugendliche etwa U-Bahnhöfe und ungenutzte Freiflächen, um sich zu treffen oder sportliche Aktivitäten wie Skaten auszuüben. Damit stoßen sie oft auf Ablehnung der Anrainerinnen und Anrainer, die sich vom Lärm gestört oder sich in ihrer Sicherheit bedroht fühlen. Zudem würden Jugendliche, die sich auf Spielplätzen treffen, die eigentliche Zielgruppe, Kinder, von diesen verdrängen. Um Probleme dieser Art zu lösen, bedarf es einer Stadtplanung, die die Interessen von Jugendlichen berücksichtigt und ihnen attraktive Flächen und Räume zur individuellen Nutzung bereitstellt. M1 Skaten unter einer Brücke (Foto 2017) Beispiel „Eichbaum Countdown“ in Mülheim a. d. Ruhr In Mülheim entwickelten das Büro Raumlabor und Ringlokschuppen Mülheim zusammen mit Jugendlichen Visionen für die Stadtbahnhaltestelle Eichbaum an der U18 zwischen Essen und Mülheim, die seit Jahren aus der Not heraus ein Treffpunkt für Jugendliche verschiedener Herkunft und sozialer Schichten ist. Ziel des Projektes war herauszufinden, wie Jugendliche den Ort an und um die Haltestelle Eichbaum nutzen und verschiedene Möglichkeiten der Umgestaltung und Umnutzung des Ortes auszuforschen. Der von vielen als unbehaglich oder gar als Angstraum wahrgenommene Ort sollte durch baulichmaterielle Eingriffe verändert werden und durch Jugendevents bespielt werden. An der Haltestelle entstand durch eine pneumatische Struktur ein neuer unkonventioneller Jugendraum, der so genannte „Luftraum Eichbaum“. Kompetenzorientierte Lernziele Vielfalt der subjektiven Wirklichkeiten in Städten vergleichen soziale Differenzen in urbanen Räumen analysieren unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten einer Stadt gegenüberstellen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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