38 Fallbeispiel Sozialhilfe – Bedarfsorientierte Mindestsicherung – Sozialhilfe neu … Das unterste soziale Netz in Österreich sorgt seit jeher mit verschiedenen Bezeichnungen und Inhalten für Diskussionen in der Öffentlichkeit. Wer soll die Leistungen erhalten? Wie hoch sollen sie sein? An welche Bedingungen sollen sie geknüpft sein? usw. In diesem Kapitel sollen daher wesentliche Fragen rund um die 2019 eingeführte Sozialhilfe neu geklärt werden. Was ist die Sozialhilfe neu? Im Jahr 2019 wurde die Bedarfsorientierte Mindestsicherung von der österreichischen Bundesregierung reformiert und deren Inhalte im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz festgehalten. Die wichtigsten Ziele sind • die Armutsbekämpfung, • die Dämpfung der Zuwanderung in das österreichische Sozialsystem sowie • das Setzen verstärkter Arbeitsanreize. Warum wurde die Sozialhilfe neu eingeführt? Das bis 2010 bestehende System der Sozialhilfe wurde in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich gehandhabt. Ziel der darauffolgenden Mindestsicherung war es daher, einheitliche Standards in wichtigen Kernbereichen (zB gemeinsame Leistungsuntergrenzen, höhere Leistungen für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher, Anreize für Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger am Arbeitsmarkt, …) zu schaffen. Da die gemeinsamen Bestimmungen zur Mindestsicherung Ende 2016 ausliefen, und sich Bund und Länder auf keine einheitliche weitere Vorgehensweise einigen konnten, wendeten die einzelnen Bundesländer (die Sozialhilfe/Mindestsicherung ist Ländersache) ab Anfang 2017 zum Teil unterschiedliche Richtsätze für die Leistungen der Mindestsicherung an. Insbesondere in den Bundesländern Niederösterreich, Oberösterreich und im Burgenland wurden rechtlich und sozialpolitisch bedenkliche Regelungen eingeführt, die großteils vom Verfassungsgerichtshof bzw. vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig wieder aufgehoben wurden. Mit dem Wildwuchs an bundesländereigenen Regelungen sowie einem starken Anstieg an Leistungsbezieherinnen und Leistungsbeziehern und damit auch an Kosten wurde eine Neuregelung der Sozialhilfe notwendig. Mit 1. Jänner 2020 ist schließlich das so genannte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Kraft getreten, das zwar einen gemeinsamen verbindlichen Rahmen für alle Bundesländer vorgibt, aber auch mittels so genannter Kann-Bestimmungen zahlreiche Spielräume bei der Ausgestaltung der neuen Gesetze eröffnet. Teile des im Vergleich zur vorherigen Mindestsicherung deutlich verschärften Gesetzes wurden mittlerweile allerdings vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) als verfassungswidrig wieder aufgehoben (zB sollten Leistungen für Kinder stark degressiv gestaffelt werden – ab dem dritten Kind sollte massiv gekürzt werden). Wer hat Anspruch auf die Leistungen der Sozialhilfe neu? Die Sozialhilfe neu wird ausschließlich jenen Personen gewährt, die sich in einer finanziellen Notlage befinden (Eigene Ersparnisse dürfen gemäß Sozialhilfe-Grundsatzgesetz rund 5 697 Euro nicht übersteigen.) und den eigenen Bedarf bzw. den ihrer Angehörigen nicht ausreichend decken können. Eine Voraussetzung für den Erhalt ist außerdem die Arbeitsbereitschaft von arbeitsfähigen Personen sowie die Umsetzung bestimmter aufgetragener Maßnahmen durch die Behörde. Können auch ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger Sozialhilfe/Mindestsicherung beziehen? Für ausländische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger gilt folgendes: EU- bzw. EWR-Bürgerinnen und-Bürger haben in Österreich nur dann einen Anspruch auf die Sozialhilfe/ Mindestsicherung, wenn sie sich als Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer in Österreich aufhalten oder schon länger als fünf Jahre in Österreich wohnen. Dasselbe gilt auch für Drittstaatenangehörige (zB Türkinnen und Türken), wenn sie bereits länger als fünf Jahre rechtmäßig in Österreich gelebt haben, sowie anerkannte Flüchtlinge. Subsidiär Schutzberechtigten (= Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, aber deren Gesundheit/Leben im Herkunftsland bedroht ist) sind ausschließlich Kernleistungen der Sozialhilfe zu gewähren, die das Ausmaß der Grundversorgung nicht übersteigen. Wie hoch sind die Leistungen aus der Sozialhilfe neu? Da die vollständige Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in den Bundesländern bislang noch nicht erfolgt ist (Sozialhilfe-Ausführungsgesetze wurden mit Stand Juli 2021 bislang in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Kärnten, Vorarlberg und der Steiermark erlassen), gelten bis zu deren Inkrafttreten noch die jeweiligen Mindestsicherungsgesetze der einzelnen Länder. Diese sehen für die Bemessung der Leistungen eine andere Systematik vor, weshalb die Leistungshöhen in den Bundesländern ohne Ausführungsgesetz von den restlichen abweichen. Zur Orientierung werden nachfolgend die Richtsätze für die Leistungen der Sozialhilfe (zwölfmal pro Jahr) abgebildet, die 2021 in allen Bundesländern, die das Sozialhilfe-Ausführungsgesetz bereits umgesetzt haben, zur Anwendung kommen. • Für Alleinunterstützte und Alleinerziehende beträgt die Sozialhilfe maximal rund 949 Euro. • Paare erhalten maximal rund 1 329 Euro. • Die Leistungshöhe für Kinder kann von den Bundesländern frei entschieden werden. • Für Menschen mit Behinderung ist ein verpflichtender Zuschlag (maximal rund 171 Euro) zu gewähren, sofern sie nicht bereits gleichwertige Leistungen erhalten. Kompetenzorientiertes Lernziel Besonderheiten der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik darstellen Sozialhilfe neu – Auffangnetz oder soziale Hängematte? Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Ve lags öbv
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