global 6. Geographie und Wirtschaftskunde, Schülerbuch

94 Agrarpolitik – damals und heute Infolge der Lebensmittelknappheit nach dem Zweiten Welt- krieg war es der Europäischen Union (damals Europäischen Gemeinschaft) ein großes Anliegen, die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln langfristig sicherzu­ stellen. Zu diesem Zweck wurde 1962 die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) eingeführt. Ihre primären Ziele waren neben der Bereitstellung von leistbaren Lebensmitteln auch die Sicherung der Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte. Heute fördert die GAP aufgrund der aktuellen und künftigen Herausforderungen auch die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion, um trotz des starken Anstiegs der Weltbevölkerung auf über neun Milliarden Menschen in den kommenden Jahrzehnten die Versorgung mit Lebens- mitteln und die Qualität dieser zu sichern. Zudem spielen die Landschaftspflege und der Erhalt der Wirtschaft im ländlichen Raum sowie der nachhaltige Umgang mit den natürlichen Ressourcen eine wesentliche Rolle. Reformen: Qualität statt Quantität? In ihren Anfängen sicherte die GAP mit garantierten Min- destpreisen für Lebensmittel und Zölle für eingeführte Waren sowie Ausfuhrbeihilfen zur Steigerung der Exporte die europäische Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt. Die landwirtschaftliche Produktivität stieg daraufhin aller- dings so stark an, dass es in den 1970-er Jahren zu einer kostspieligen Überproduktion kam. Die produzierten Über- schüsse wurden eingelagert oder zu subventionierten Prei- sen exportiert. Die Agrarreform 1992 reagierte darauf mit einer Preissenkung und direkten Einkommensbeihilfen, um die damit verbundenen Einkommensausfälle auszuglei- chen. Die EU-Förderungen waren an die Erträge gekoppelt. Je mehr ein bäuerlicher Betrieb produzierte, desto mehr Gelder standen ihm zu. Eine weitere Reform 2003 brachte dann eine wesentliche Veränderung: Die Prämienzahlung war nun nicht mehr von der Produktion, sondern von der ordentlichen Bewirtschaftung von Flächen unter Einhal- tung strenger Auflagen in den Bereichen Umwelt, Tier- schutz und Lebensmittelsicherheit abhängig. Für Direktzahlungen und Programme zur Förderung länd­ licher, strukturschwacher Regionen werden etwa 40 Prozent des EU-Budgets verwendet. Noch vor 50 Jahren flossen rund 75 Prozent in die Landwirtschaft, obwohl es damals deutlich weniger EU-Mitgliedstaaten gab. Kritik: Bauernsterben durch EU-Politik? Heute arbeiten in der EU 12 Millionen Menschen in der Landwirtschaft und weitere vier Millionen im Lebensmittel- sektor, die gemeinsam etwa sechs Prozent des europäi- schen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften. Insgesamt wird rund die Hälfte der Gesamtfläche der EU landwirt- schaftlich genutzt. Der Beruf der Landwirtin oder des Land- wirts ist heutzutage allerdings nicht zuletzt aufgrund sin- kender Einkommen nicht mehr attraktiv. Kleine landwirtschaftliche Betriebe können allein durch den Ver- kauf ihrer Produkte kein ausreichendes Einkommen mehr erzielen. Viele Bäuerinnen und Bauern müssen einer zu- sätzlichen beruflichen Tätigkeit nachgehen oder ihre Er- zeugnisse durch Direktverkauf vertreiben. Wenige Großbe- triebe vertreiben die kleinen lokalen Produzentinnen und Produzenten, weil sie ihre Produkte viel billiger erzeugen und verkaufen können, was wiederum zu Überproduktion führt. Durch die EU-Subventionen können sie diese Über- schüsse aber zu einem niedrigen Preis exportieren, was vor allem für die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern, die ihre Produkte mangels Förderungen nicht so billig ver- kaufen kann, ein großes Problem darstellt. Aktuelle Herausforderungen und Reformen Die 2013 beschlossene Reform der GAP (Zeitraum 2014– 2020), bei der unter anderem zusätzliche finanzielle Unter- stützungen in ökologische Landwirtschaft, Kleinbetriebe und naturbedingt benachteiligte Gebiete geflossen sind, wurde 2016 um mehrere Maßnahmen erweitert. Es handelt sich dabei weniger um eine Reform als um die Besserung bereits geltender Mechanismen in den Bereichen Erzeuger- organisation, Stärkung der landwirtschaftlichen Versiche- rungen und der Instrumente zur Einkommensstabilisierung, Bestimmungen zu Ökologisierungszahlungen und Zahlun- gen an Landwirte. Neue Herausforderungen sind etwa die Folgen technischer Innovationen und Digitalisierung für Produktion, Verarbei- tung und Vermarktung von Lebensmitteln, aber auch der Umgang mit Klimawandel und Nachhaltigkeit, der mit Inkrafttreten des Pariser Klimaschutzübereinkommens (COP 21) einhergeht. M1 Lebensmittel für die Tonne Eier 7,6 Mio. Tonnen Geflügelfleisch 13,1 Mio. Tonnen Schweinefleisch 22,9 Mio. Tonnen Rindfleisch 7,9 Mio. Tonnen Milch 162,4 Mio. Tonnen Wein 165 Mio. Hektoliter Birnen 2,2 Mio. Tonnen Äpfel 12,3 Mio. Tonnen Zucker 15,0 Mio. Tonnen Kartoffeln 25,3 Mio. Tonnen Olivenöl 3,0 Mio. Tonnen Ölsaaten 30,9 Mio. Tonnen Getreide 310,1 Mio. Tonnen Eier 7,6 Mio. Tonnen Geflügelfleisch 13,1 Mio. Tonnen Schweinefleisch 22,9 Mio. Tonnen Rindfleisch 7,9 Mio. Tonnen Milch 162,4 Mio. Tonnen Wein 165 Mio. Hekt lit r Birnen 2,2 Mio. Tonnen Äpfel 12,3 Mio. Tonnen Zucker 15,0 Mio. Tonnen Kartoffeln 25,3 Mio. Tonnen Olivenöl 3,0 Mio. Tonnen Ölsaaten 30,9 Mio. Tonnen Getreide 310,1 Mio. Tonnen Kompetenzorientierte Lernziele  die Folgen der Überproduktion von Lebensmitteln analysieren  die Reformansätze der Agrarpolitik bewerten  die Rolle der Agrarpolitik für die Regionalentwicklung beurteilen Agrarpolitik der EU Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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