global 6. Geographie und Wirtschaftskunde, Schülerbuch

79 13 Interpretieren Sie die Karikatur. 14 Erklären Sie die folgenden Begriffe: Binnenmigration Außenmigration Flucht Asyl Asylwerber/in Asylberechtigte/r 15 Erläutern Sie aus der Perspektive eines Flüchtlings die Situation in einem Flüchtlingslager (M11). M10 Karikatur zur EU-Flüchtlingspolitik { { { „Austria not very good“ (…) Menschen sitzen in der prallen Hitze am Gehsteig mit Plastiksackerln und dem, was sie am Leib tragen. (…) Wir parken und sofort bildet sich eine Menschen- traube um uns. Niemand wirkt gefährlich oder bedroh- lich, ist laut. Mir kommt der Gedanke, dass ich mir in der U-Bahn mehr Sorgen um meine Schlüssel und meine Geldbörse mache als hier. Sofort sind helfende Hände da, packen mit an. Jemand fragt nach Wasser, ich hab einen Sechserträger Mineralwasser in der Hand und will ihn ihm geben. „No, only one. Only for me“, winkt er ab. Im Lager gibt es kaum Schatten, kein Gras, kaum Bäume. Außerhalb des Lagers liegt kaum Müll. Es ist sehr sauber in Traiskirchen. Auf jedem Festival gibt es mehr Müll, und das bei fast 4 000 Menschen. Auf jedem Festival gibt es allerdings auch saubere Klos, ausreichend Duschen, ärztliche Versorgung, Zelte mit Boden, Essen, Wasser. Hier nicht. Hier gibt es nicht mal Privatsphäre. (…) Ein kleiner Bub stupst mich schüchtern an und zeigt auf das Sackerl mit Stofftieren. Er bekommt eines und auch er strahlt mich glücklich an. (…) Nachdem sich der erste Ansturm gelegt hat, gehe ich ein paar Schritte und kämpfe mit den Tränen. Ein junger Mann aus Afghanistan fragt mich nach meinem Namen und meiner Herkunft. „Ah, Austria, very good“, sagt er in gebrochenem Englisch. Nein, nicht so, denke ich mir. „Austria“ ist nur „very good“ für die, die auf der richtigen Seite des Zauns geboren sind. „Austria“ ist „very good“ zu mir, weil ich mich nicht entscheiden muss, ob ich mich bei der Schlange bei der Essensausgabe anstelle oder bei der beim Arzt. Ich kann beides haben, rund um die Uhr. Ich brauche nur einen Termin. Wer hier einen solchen verpasst, fällt aus der Grundversorgung. Auch wenn sie nichts davon wussten. Sie verpassen ihn, weil sie die Sprache/n nicht verstehen. So simpel, so bürokratisch. Keine Grundversorgung bedeutet dann: Kein Klo. Kein Schlafplatz. Kein Arzt. Kein Wasser. Kein Essen. Kein Geld. Nichts. Einfach nichts. Es fällt auf, wie viele Kinder im Lager sind. Eine afghani- sche Familie hat ein Kind mit vier Monaten. Der Vater beherrscht etwas Deutsch, wir können uns aber verstän- digen. Die Mutter wirkt apathisch, depressiv, erledigt. Ich bin hin- und hergerissen zwischen extremen Emotionen: Auf der einen Seite diese tiefe, ehrliche, echte Freude der Flüchtlinge über jede Kleinigkeit und über jedes Lächeln, auf der anderen gnadenlose Wut auf diejeni- gen, die immer wieder die gleichen abscheulichen Lügen verbreiten: Es würden nur junge Männer nach Österreich kommen, alle Wirtschaftsflüchtlinge, jeder hat alles, Markenkleidung und Smartphones. Nichts davon stimmt, kein einziges Wort. (http://www.news.at/a/traiskirchen-erfahrungsbericht , Thomas Reitmayer, 20. 8. 2015, abgerufen am 20. 4. 2016) M11 Traiskirchen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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