global 6. Geographie und Wirtschaftskunde, Schülerbuch

118 Fallbeispiel Was ist CETA? CETA – hinter dieser Abkürzung versteckt sich das bislang fortschrittlichste Handelsabkommen der EU, das jedoch nicht unumstritten ist. CETA steht für „Comprehensive Eco- nomic and Trade Agreement“ oder zu Deutsch „umfassen- des Wirtschafts- und Handelsabkommen“ und soll die Wirt- schafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada verstärken – für Waren, Dienstleistungen, Investitio- nen und öffentliche Aufträge. Obwohl die Wirtschaftsbezie- hungen bereits vorher sehr eng waren, können durch diese Abkommen rund 98% der Zölle abgebaut werden. Laut EU-Kommission können europäische Unternehmen dadurch mehr als 500 Mio. Euro jährlich einsparen. CETA – ein Verhandlungsmarathon Fünf Jahre lang, bis zum Sommer 2014, verhandelten die Europäische Kommission und die kanadische Regierung über CETA. Nach zum Teil mühsamen Verhandlungsrunden konnte schließlich anlässlich des EU-Kanada-Gipfels am 26. 9. 2014 der Abkommenstext der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Während der Verhandlungen wurden die Details des Abkommens nämlich geheim gehal- ten. Im Oktober 2016 stimmten schließlich das Europaparla- ment, der Rat und die kanadische Regierung dem Abkom- men zu. Seit 21. September 2017 wird CETA vorläufig angewendet. Damit das Abkommen auch in nationale Be- lange eingreifen kann, müssen die Parlamente der einzel- nen Mitgliedstaaten über eine Annahme oder Ablehnung von CETA abstimmen. Konkrete Inhalte Das Abkommen ist etwa 1 600 Seiten lang und umfasst insgesamt 30 Kapitel. Zusammengefasst beinhaltet CETA die folgenden zentralen Bestimmungen: • Abschaffung/Reduktion von Zöllen und Vereinheitlichung unterschiedlicher Standards • verbesserte Zusammenarbeit bei nicht-tarifären Handels- hemmnissen (Angleichung von Normen und Vorschriften) • Zugang für europäische und kanadische Firmen zu öffent- lichen Aufträgen sowie Dienstleistungen am jeweils anderen Markt • erleichterte Investitionen durch das Prinzip der Nicht- Diskriminierung • rechtliche Schutzbestimmungen für bestimmte europäi- sche (auch österreichische) geographische Herkunftsbe- zeichnungen • Schutz von geistigem Eigentum und neuen Technologien • wechselseitige Anerkennung von Qualifikationen, beispielsweise bei Architektinnen, Wirtschaftsprüfern und Ingenieuren • Erleichterungen für Fachkräfte, um in der jeweils anderen Region arbeiten zu können Investitionsgerichtssystem – Schutz für Unternehmen Ein äußerst umstrittener Punkt ist der geplante Schutz für Investorinnen und Investoren und Unternehmen, die im Ausland investieren. Falls Staaten nach Meinung der Unter- nehmen gegen Bestimmungen eines Investitionsabkom- mens verstoßen, sollen Rechtsstreitigkeiten nicht in den „Gastländern“, sondern vor einem öffentlichen Investitions- gerichtshof ausgetragen werden können. Hintergrund ist, dass eine Investition ins Ausland immer mit einem gewis- sen Risiko verbunden ist. Beispielsweise besteht die Gefahr einer willkürlichen staatlichen Enteignung oder unfairer diskriminierender Entscheidungen, die ausländische In- vestorinnen und Investoren benachteiligten könnten. Aller- dings haben in den letzten Jahrzehnten vor allem Großkon- zerne sehr fragwürdige Klagen gegen Staaten erhoben, da sie sich als benachteiligt oder die Einhaltung eines Abkom- mens als verletzt ansahen. Ein prominentes Beispiel ist die Klage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen Deutschland nach dem Atomausstieg des Landes. Vattenfall verlangt mehrere Milliarden an Entschädigung. Da derartige Verfahren die öffentlichen Haushalte (va bei negativem Ausgang) schwer belasten, werden die nationalen Regierungen in Zukunft vermutlich genau überlegen, welche Gesetze sie erlassen. Um genau solche Fälle zu vermeiden, wird das Investitions- gerichtssystem von CETA öffentlich sein und mit professio- nellen und unabhängigen Richterinnen und Richtern (er- nannt von der EU und Kanada) sowie transparent und mit einem strengen Verhaltenskodex arbeiten. Außerdem sollen die Gründe, aus denen eine Investorin oder ein Investor einen Staat verklagen kann, beschränkt und öffentliche Stellen davor geschützt werden, Rechtsvorschriften ändern oder Entschädigungen zahlen zu müssen. Kompetenzorientierte Lernziele  das Freihandelsabkommen CETA erklären  die Vor- und Nachteile des Abkommens diskutieren CETA brachte Schub in EU-Kanada-Beziehungen (Die Presse, 18. 7. 2019) CETA auf der Kippe (Süddeutsche Zeitung, 16. 2. 2020) CETA: ein schlechter Deal für Europa (Die Zeit online, 14. 10. 2016) M1 Schlagzeilen zu CETA CETA – Chance oder Risiko? Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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