22 Fallbeispiel Wie kamen die Grenzen in Afrika zustande? Betrachtet man eine politische Karte Afrikas, so fällt auf, dass zwischen zahlreichen Staaten mehr oder weniger geradlinige Grenzen verlaufen. Bis auf wenige Ausnahmen wurden diese Grenzen von den europäischen Kolonialmächten festgelegt, die sich ab den 1880-er Jahren einen Wettlauf um Gebiete im inneren Afrika lieferten. Da die Märkte in Europa zwischen 1873 und 1896 wegen einer lange andauernden Depression schrumpften, sahen die europäischen Mächte neue Absatzmöglichkeiten in Afrika. Neben billigen Arbeitskräften oder leicht verfügbaren Rohstoffen gab es in Afrika auch Ressourcen, die in Europa kaum oder gar nicht vorhanden waren, etwa Kautschuk, Kupfer oder Baumwolle. Auf der Berliner Kongokonferenz in den Jahren 1884 und 1885 berieten Vertreter 13 europäischer Mächte sowie der USA und des Osmanischen Reiches über das künftige Vorgehen in Afrika. Vertreter aus Afrika waren nicht eingeladen. Ohne sich um eine ethnisch oder historisch sinnvolle Grenzziehung zu kümmern, wurden quasi mit dem Lineal die Einflusssphären der damaligen Großmächte bestimmt. Die in der so genannten Kongo-Akte beschlossenen Grenzziehungen wurden nie verändert. Es ist daher kaum verwunderlich, dass diese Grenzen immer wieder zu Kriegen führten und noch heute führen, wie zB im Tschad, in der Demokratischen Republik Kongo oder in Mali. Problematik der Grenzziehungen in Afrika Der so gannnte „Territorialstaat“ wurde als Staatsform in der Kolonialzeit eingeführt als Neuheit – denn die meisten vorkolonialen afrikanischen Staaten sind als „Personenverbandsstaaten“ zu bezeichnen. Der wichtigste Unterschied zum Territorialstaat besteht hier darin, dass eine Menschengruppe und ihre politische Organisation primär den Staat bestimmt. (…) Die Grenzziehungen durch die Europäer bestimmen oft bis heute die nachkoloniale Staatlichkeit, sie waren häufig das Ergebnis politischer Kompromisse und „künstlich“. So fanden sich zB Ethnien gespalten auf beiden Seiten einer modernen Staatsgrenze wieder, zB wenn Europäer Flüsse zu Grenzen machten: Diese Täler waren eher Orte der Kommunikation als der Trennung, wie zB am Mittellauf des Sambesi. Problematischer war die Situation in den anderen Zonen Afrikas für Nomaden, deren transhumante (Anm.: mit Herden wandernd) Wanderungszyklen durch moderne Staatsgrenzen durchbrochen bzw. zumindest behindert wurden. Der europäische Staat hat als zentrales Kennzeichen die Tendenz zu einer umfassenden administrativen Einheit und ist idealerweise in der Hauptstadt ebenso präsent wie an den Grenzen. In Afrika hingegen findet sich eine ungleiche Verteilung der Städte mit unzureichender Infrastruktur und ein Machtgefälle vom Zentrum zur Peripherie. Eine weitere Regel der OAU ( Organisation Afrikanischer Staaten) lautet: Wer die Kontrolle über die Hauptstadt ausübt, wird als Regierung anerkannt; je weiter daher der Abstand von der Metropole, desto schwächer wird die Präsenz des Staates! Rebellengruppen haben sich daher oft an den Rändern festgesetzt, dort ihre Macht aufgebaut und versucht, diese auszuweiten. Die langjährigen Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone, im Kongo oder in Angola ebenso wie die Eroberung Ruandas verliefen nach diesem Schema. Es geht hier immer um die politische Macht: Schwache Staaten, die außerdem an der Peripherie dünn besiedelt sind, wie die Sahelstaaten, fallen leicht in den Verdacht, Zufluchtsort für Terroristen zu werden, was wieder zu direkter oder indirekter Intervention westlicher Länder führen kann. Sezessionsbewegungen oder Teilungen von Ländern sind möglich. (https://www.boell.de/de/navigation/afrika-grenzen- nationalstaat-afrika-kolonialismus-9109.html, abgerufen am 1. 9. 2016) Tunis Algier (Al Dschasa'ir) Rabat (Ar Ribat) Asmara Juba Tripolis (Tarabulus) Kairo (Al Kahira) Khartum (Khartum) Addis Abeba Niamey Abuja Jaunde Libreville Lomé Malabo Porto Novo São Tomé (Yaoundé) N'Djamena Bangui Kinshasa Luanda Brazzaville Bujumbura Lusaka Lilongwe Maseru Gaborone Nairobi Kampala Kigali Dodoma Pretoria (Tshwane) Mbabane Maputo Windhuk (Windhoek) Harare Moroni Antananarivo Accra Yamoussoukro Monrovia Freetown Conakry Bissau Banjul Dakar Nuakschott Bamako Ouagadougou Mogadischu (Muqdisho) Dschibuti ZENTRALAFRIKANISCHE REPUBLIK SIMBABWE GHANA RUANDA BURUNDI MALTA ITALIEN LESOTHO UGANDA SÜDSUDAN LIBYEN PORTUGAL SPANIEN Westsahara GUINEA ÄQUATORIALKUWAIT MAROKKO TUNESIEN ERITREA SEYCHELLEN MALAWI KAMERUN BENIN TOGO BURKINA FASO SENEGAL JORDANIEN KENIA TANSANIA MADAGASKAR MOSAMBIK SÜDAFRIKA SAMBIA KONGO ANGOLA NIGERIA TSCHAD GUINEA MAURETANIEN ALGERIEN IRAK ÄTHIOPIEN SOMALIA JEMEN TÜRKEI SUDAN NIGER MALI ARABIEN SAUDIÄGYPTEN SWASILAND BOTSUANA NAMIBIA GRIECHENLAND ZYPERN ISRAEL LIBANON SYRIEN IRAN BAHRAIN KATAR DSCHIBUTI GAMBIA GUINEA-BISSAU LIBERIA SIERRA LEONE CÔTE D' IVOIRE (ELFENBEINKÜSTE) SÃO TOMÉ U. PRÍNCIPE GABUN DEMOKRAT. REPUBLIK KONGO KOMOREN Kongo Malawisee (Njassasee) Victoria- see Ro t e s Me e r M i t t e l me e r Nil Niger A T L A N T I S C H E R O Z E A N I N D I S C H E R O Z E A N Kairo (Al Kahira) Staatsgrenze strittige Grenze Haupstadt Hauptstadt (deutscher Name) Name in Landessprache 0 900 1 800 km Maßstab 1:90 000 000 M1 Grenzen in Afrika Kompetenzorientierte Lernziele Interessengebundenheit von Gliederungen vergleichen die Bedeutung von Grenzziehungen beschreiben und erläutern Afrikas gemachte Grenzen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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