Starke Seiten Deutsch 4, Arbeitsheft, aktualisierte Ausgabe

hatten alles geplant. Und sie hatte sich ins unvermeidlich Scheinende gefügt. Es war auch lange Zeit recht passabel erschienen. Die Pläne der Eltern hatten durchaus ihre positiven Seiten. Eigenen Besitz zu haben, später einmal. Auch wenn die Arbeit fad und langweilig war, sich von keinem Chef herumkommandieren lassen zu müssen, war auch etwas wert. Und vor allen Dingen, die Mutter baute auf sie. Es war schwer, eine Mutter, die auf einen baut und die einen gern hat, zu enttäuschen. Aber seit sie die Möglichkeit ins Auge gefasst hatte, diese Schule, diese HTL, zu besuchen, die ihr ermöglichte, hinter die vielen Geheimnisse der Zahlen zu kommen, und dann, nach Abschluss, eine Arbeit zu suchen und vielleicht zu finden, die aller Mühe wert war, hatten sich Elenas Werte verschoben, spürte sie im Innersten das etwas konfuse Gefühl großer Hoffnung. Diese Hoffnung aber hing davon ab, wie sich ihr weiteres Leben gestaltete; nicht von den finanziellen Möglichkeiten, sondern vom eigenen Tun. Es stimmte schon, es war schwer, die eigene Mutter zu enttäuschen, aber noch schwerer, weil unheilvoller, war es, mit offenen Augen in sein Unglück zu rennen. „Ich möchte die Schule wirklich gerne machen.“ Die Mutter schaute Elena mit schüchternen Augen an. „Elena, hast du schon vergessen? Wir haben doch oft darüber gesprochen, wie nett wir es gemeinsam haben könnten. Wir zwei zusammen, wir sind doch ein gutes Team, oder?“ Vater schüttelte den Kopf, dann polterte er los: „Dummheit! Ausgesprochene Dummheit, eine technische Schule für ein Mädchen! Als Mädchen hast du es ja noch schwerer! Wer stellt schon eine Frau an, wenn er ums gleiche Geld einen Mann haben kann.“ „Darüber brauchen wir uns die allergeringsten Sorgen zu machen!“, sagte Franz. „Wenn heutzutage etwas Zukunft hat, dann sind das technische Berufe. Und da sind auch Frauen gefragt. Und mit der richtigen Ausbildung kann sie mit jedem Mann konkurrieren.“ Der Vater rührte in seiner Tasse herum. Zuerst hatte Franz, der Sohn, der Älteste, seine Erwartungen enttäuscht. Dann war Elena die Hoffnungsträgerin gewesen. Elena mit ihren geschickten Händen, mit ihrem Talent für alles Häusliche, aber auch im Umgang mit den Gästen. Nun wollte auch sie sich davonstehlen aus dem Betrieb. Er schaute die Mutter an. „Luisa, was meinst du? Du musst entscheiden, denn du hast die meiste Last zu tragen.“ Die Mutter wischte sich mit beiden Händen über die Stirn, sie schluckte ein-, zweimal, bis sie die Kehle frei hatte, um zu sagen: „Du weißt, Paul, ich bin die Letzte, die sich dem Glück ihrer Kinder in den Weg stellt.“ Rosmarie Thüminger Beantwortet zu zweit folgende Fragen. Welche Personen sind an dem Gespräch beteiligt? Was hast du über Elena erfahren? Was ist eine HTL? Warum ist der Vater dagegen, dass Elena eine HTL besucht? Warum fällt es Elena so schwer, die Eltern zu überzeugen? Der Vater ist der Ansicht, dass es Frauen in technischen Berufen viel schwerer haben. Welches Gegenargument nennt Franz, Elenas Bruder? Wie ändert sich die Einstellung der Mutter im Verlauf des Gesprächs? 40 45 50 55 60 65 70 2 5 Lesen Sprachbuch 10–13 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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