Starke Seiten Deutsch 3, Arbeitsheft, aktualisierte Ausgabe

Einen Kurzkrimi lesen: Krimi als Bettlektüre Seine Mutter hatte immer gesagt, man solle nicht lauschen. Wenn man jedoch im Vorbeigehen – ganz zufällig – ein Gespräch mitbekam, zählte das nicht, fand Michael. Aus dem Wohnzimmer hörte er seinen Onkel flüsternd telefonieren: „Testament ändern … Krankheit ist nicht heilbar … morgen Früh. Vielen Dank.“ Die wenigen Wortfetzen, die Michael ausmachen konnte, ließen ihn erstarren. Plante sein Onkel etwa, ihn zu enterben? Sollten all die Jahre, in denen Michael die Launen seines Onkels geduldig ertragen und dessen Wünsche bedingungslos erfüllt hatte, umsonst gewesen sein? So war das Ganze nicht geplant gewesen. Als Michaels Eltern ums Leben kamen, war sein steinreicher Onkel als letzter lebender Verwandter seine einzige und erste Wahl gewesen. Er erinnerte sich genau an den tragischen Unfall, der laut Polizei ein vermeintlicher Mordanschlag gewesen war. Im Zuge der langen und intensiven Ermittlungen wurde niemals der trauernde Sohn verdächtigt. Der Sohn, der seine Rolle perfekt spielte. Der Sohn, der sich mit Autos auskannte und Unfälle perfekt arrangieren konnte. Diese Fähigkeit könnte ihm erneut von Nutzen sein, stellte Michael grinsend fest. Als Alleinerbe musste er nur dafür sorgen, dass sein Onkel nie beim Notar ankam, und alles wäre wieder im Lot. Wie es der Zufall wollte, war die Straße, die zum Notar führte, gefährlich und steil. Und die Bremsen des alten Autos, das sein Onkel fuhr, waren nicht mehr die besten … Michael winkte seinem Onkel ein letztes Mal, als dieser sich am nächsten Tag auf den Weg machte. Der Wagen war kaum in der Kurve verschwunden, da malte er sich schon aus, was er mit dem Erbe anstellen würde. Diese Gedanken wurden durch das Klingeln des Telefons jedoch jäh unterbrochen. Es war der Notar. „Ist Ihr Onkel noch zu erreichen? Ich muss unseren Termin leider auf morgen verschieben!“, keuchte der Mann eilig ins Telefon. „Tut mir leid, Sie haben ihn gerade verpasst“, antwortete Michael und grinste diabolisch. „Ach! Dann müssen Sie wohl bis morgen auf die guten Neuigkeiten warten.“ „Ich? Gute Neuigkeiten?“, fragte Michael verwundert. „Nun ja, ich denke, ich kann es Ihnen jetzt schon anvertrauen. Ihr Onkel möchte Sie als Alleinerbe in seinem Testament einsetzen.“ Michael wurde blass. „Bin ich das denn nicht schon?“, fragte er entsetzt. „Nein, Ihr Onkel wollte sein Vermögen ursprünglich seinem Lieblingsmuseum vermachen. Da Sie aber so gut für ihn gesorgt haben, soll es jetzt Ihnen zustehen. Ist das nicht toll?“ Mit einem dumpfen Geräusch landete der Telefonhörer auf dem Boden. Kathi Pröstler Obwohl der Schluss nicht aufgeschrieben ist, weiß man, wie die Geschichte wohl ausgeht. Erzählt einander das vermutliche Ende. Ergänze oben eine treffende Überschrift, die Lust aufs Lesen macht. Tipp Unter Lektüre versteht man Lesestoff. Tipp Ein Testament ist der letzte Wille eines Menschen und bestimmt, wer nach seinem Tod über sein Hab und Gut verfügen kann. Tipp Das Wort jäh bedeutet: plötzlich. 1 5 10 15 20 25 30 35 19 Tipp Überlegt weiters: Warum könnte der Onkel gezögert haben, Michael als Erben einzusetzen? 20 11 Lesen Sprachbuch 20, 21 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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