Starke Seiten Deutsch 4, Schulbuch, aktualisierte Ausgabe
Von Generationskonflikten lesen: Andere Zeiten, ähnliche Probleme Lilia kennt und mag Tom schon seit dem Kindergarten. Niemals hätte sie gedacht, dass sie und er mehr als nur Freunde sein könnten. Auf der Insel, auf der Lilia und Tom ein paar Tage mit ihrer Clique verbringen, funkt es dann aber so richtig. Kaum dass Lilia wieder zu Hause bei Papa, ihrer kleinen Schwester Rosalie und ihrem großen Bruder Flocke ist, kracht es auch schon. 18.08 Uhr Ich bin zu jung? Rein biologisch betrachtet bin ich mit sechzehn auf meinem absoluten Leistungshoch. Mehr kommt nicht! Hirnzellen, Kondition, Fruchtbarkeit – alles im Optimum, das kann man in jedem Bio-Buch lesen! Ab zwanzig geht es abwärts und mit fünfundvierzig, lieber Vater, befindet man sich kurz vorm Tiefpunkt, um es mal freundlich auszudrücken. Wären wir noch Höhlenmenschen, dann würde ich jetzt mit einem Festritual zur Kriegerin oder Stammesführerin ernannt werden. Du aber, Papilein, hättest keine Zähne mehr und müsstest dir vorm Essen dein Mammut mit dem Faustkeil zu Brei zermanschen. Denk da mal drüber nach, bevor du anderen vorwirfst, zu jung zu sein. 18.19 Uhr Ja, das könnte ich Paps sagen. Aber ich lasse es lieber, in seinem Alter ist Aufregung nicht gut. Ich werde ihn einfach seine Laune ausmiefen lassen und inzwischen mein Ding durchziehen. Soll er ruhig im Wohnzimmer rummuffeln. Ich werde nachher mit Tom skypen und vielleicht treffe ich ihn auch noch. Ich vermisse ihn nämlich. Lilia erinnert sich, wie sie im Flur ihren Rucksack auspackt. Mit Sand, fliegenden Mücken und Kekskrümeln purzeln die Mitbringsel für Rosalie – ein Fuchszahn, ein Fledermausskelett und zwei Reihereier mit Loch – heraus. Da flippt Papa aus. „Schmeiß das Zeug weg, Lilia!“, schimpfte er. „Sofort! Ich will das nicht im Haus haben.“ „Papilein“, sagte ich mit beruhigender Stimme. „Die Viecher sind harmlos, die hatten wir auf der Insel überall. Das sind so eine Art Obstfliegen ohne Flügel.“ „Obstfliegen“, sagte Paps. „Ohne Flügel. Wenn das so ist, bin ich ein Hai. Ohne Flossen.“ „Jep.“ Ich wollte ihm da nicht widersprechen. „Komm, Rosalie, wir waschen die Sachen einfach ab und dann bauen wir dir ein Museum. Ein richtiges, echtes Naturkundemuseum.“ „Könntest du vielleicht erst den Flur wieder bewohnbar machen?“, rief Paps mir nach. Wobei: Eine Frage war das eigentlich nicht. Eher ein Befehl. „Glahaheich“, antwortete ich. „Rosalie und ich, wir machen daraus jetzt ein Museum. Und nachher mach ich das alles wieder sauber. Okay?“ „Nein“, sagte Paps. „Bleib locker, Vater, und mach es dir gemütlich. Ich hab die Sache hier im Griff.“ „Lilia, nicht in dem Ton!“ Freitag, 24. Juni Ich bin zu jung für einen Freund? Hallo??? Ich bin sechzehn! Shakespeares Julia war dreizehn, als sie sich in Romeo verliebte und ihn einen Tag später heiratete. Dreizehn!!! Genau wie Shakespeare musste Paps ein Drama daraus machen. Nur, das von Shakespeare war Weltliteratur, das von Paps voll daneben. Tipp Nun geht die Geschichte im Buch Wenn Liebe die Antwort ist, wie lautet die Frage? von Mara Andeck weiter mit Lilias erstem Kuss und ihren Problemen mit ihrem besorgten Vater. 1 5 10 1 5 10 82 Respektvolles Miteinander Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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