Starke Seiten Deutsch 4, Schulbuch, aktualisierte Ausgabe

Texte verstehen: Probieren geht über Studieren Adems Vater hat sich in Wien ein gut gehendes Geschäft mit Orientteppichen aufgebaut. Deshalb soll Adem unbedingt die Handelsakademie besuchen, damit er das Unternehmen des Vaters weiterführen kann. Adem aber weiß schon jetzt, dass er einmal einen sozialen Beruf ergreifen möchte. „Ein was?“, schnaubte Herr Vediouni kopfschüttelnd in Richtung seines Sohnes Adem. „Ein Praktikum? Was soll das denn bitte wieder sein? Plagt sich beim großen Einmaleins und kann einen englischen Kaufvertrag nicht von einem Kochrezept unterscheiden. Aber ein Praktikum will der Herr Sohn machen!“ „Naja, nicht nur ich, alle aus meiner Klasse sind auf der Suche nach einem geeig­ neten Praktikumsplatz. Das ist in BO so vorgesehen“, bemerkte Adem kleinlaut. „Lern lieber Rechnen, das wirst du als Unternehmer einmal brauchen. Bis jetzt war ich eigentlich der Meinung, dass du eine Schule besuchst – eine ziemlich teure Privatschule übrigens, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf –, nicht ein Hopsasa-Tralala-Seminar für Leute, die nicht wissen, was sie nach der Schule einmal machen sollen. Und wer oder was ist überhaupt BO? Ein Hund?“ Herr Vediouni konnte sich ein hämisches Lachen nicht verkneifen. „BO bedeutet Berufsorientierung, das weißt du doch, Papa. Du warst schließlich letztes Jahr beim Elternabend. Da hat unser Klassenvorstand doch schon angekündigt, dass wir uns so bald wie möglich um einen Praktikumsplatz umsehen sollen“, ergänzte Adem etwas gekränkt. „Arman“, mischte sich nun auch Frau Vediouni ein, „da sieht man wieder, was es bringt, wenn du einmal zu einem Elternabend mitkommst!“ „Ähm, nun, so fix war das damals eigentlich noch nicht dargestellt worden“, verteidigte sich Herr Vediouni und wurde ein bisschen rot bei dieser Lüge. Schnell wich sein betroffener Gesichtsausdruck aber einem strahlenden Lächeln: „Das ist doch aber alles gar kein Problem! Dann machst du dein Praktikum eben in unserem Teppichgeschäft. Solltest dich ohnehin schon einmal ein wenig einarbeiten.“ Herr Vediouni blickte zufrieden in die Runde und widmete sich wieder seiner großformatigen Zeitung, hinter der er fast verschwand. Adem sah seine Mutter – im Schutze der riesigen Zeitung – flehentlich an. „Sag doch was!“, sollte dieser Blick bedeuten. Schon oft hatten Mutter und Sohn darüber gesprochen, dass Adem sich nicht vorstellen konnte, einmal das Geschäft seines Vaters zu übernehmen. Adem wollte einmal mit Kindern arbeiten. Das wusste er, seit er in einem Feriencamp der Pfadfinder mitgeholfen hatte. „Arman, da wäre etwas, worüber wir sprechen sollten“, wagte Frau Vediouni sich langsam vor. Nichts, die Zeitung bewegte sich kein Stückchen. „Arman, hörst du mich?“, setzte sie erneut an. Wieder nichts. Keine Bewegung. Frau Vediouni nahm all ihren Mut zusammen: „Er will nicht … Adem will nicht …“ Es war auf einmal so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören können. Die Zeitung wanderte im Zeitlupentempo an Gesicht, Hals und Brust des Vaters nach unten. Ein völlig versteinerter, angespannter Herr Vediouni kam zum Vorschein. Was denkt ihr: Wie wird Herr Vediouni nun reagieren? 1 5 10 15 20 25 30 35 Tipp Der Hund des ehemaligen Präsi­ denten der Vereinig­ ten Staaten Barack Obama hieß BO . Tipp Pfadfinder sind eine Jugendorganisation zur sinnvollen Erziehung Heran­ wachsender. 10 12 Neue Wege Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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