Starke Seiten Deutsch 4, Schulbuch, aktualisierte Ausgabe

In Herrn Shi-shmi findet Kao-tai einen Freund, der ihn durch die westliche Lebenswelt begleitet. Doch auch dessen Gewohnheiten sind dem Mandarin manchmal unverständlich. Kao-tai glaubt, dass die Menschen der modernen Zeit ebenfalls an Dämonen glauben und sie mit ihren eigenen Mitteln bekämpfen. Dass sie dennoch immer noch an Dämonen glauben – sozusagen an andere, tiefer hinter den Dingen zurückgezogene Dämonen –, ist mir auch klar. Selbst Herr Shi-shmi glaubt an sie. Er bringt ständig kleine Brandopfer dar. Die Brandopfer bestehen aus kleinen weißen Röllchen, die er in den Mund steckt und – erschrick nicht – anzündet … wie ein Feuerschlucker. Aber die Röllchen brennen nicht, sie glimmen nur, rauchen und stinken ziemlich. Trotz scharfer Beobachtung konnte ich keinen Sinn in diesen verglimmenden Röllchen erkennen. („Tschai-ga-ga-lai“ heißen die Röllchen – vielleicht auch der entsprechende Dämon.) Es muss also eine kultische Handlung sein. Herr Shi-shmi beweist übrigens eine halsbrecherische und schon geradezu asketische Fertigkeit im Darbringen dieser Brandopfer. Bis das Röllchen nahe an seinen Mund herangekommen ist, behält er es im Mund, erst wenn es so klein ist wie mein kleinstes Fingerglied, hört er damit auf. Dann scheint auch der Zauber (eine Bann-Beschwörung?), an die er ziemlich fest glaubt, verflogen zu sein, denn den Rest des Röllchens wirft er achtlos weg. Etwa alle halbe Stunde – habe ich beobachtet – bringt Herr Shi-shmi so ein Rauchopfer dar. Nie vergisst er es. Er führt stets ein Päckchen mit solchen Röllchen mit sich, und in der Wohnung bewahrt er einen größeren Vorrat auf. Ich fragte ihn, warum er diese Brandopfer darbringe. Er wurde sichtlich verlegen. Offenbar schämt er sich seines Aberglaubens. Er lachte zwar, aber die Frage war ihm doch ziemlich peinlich. „Ich weiß es selber nicht“, sagte er. „Ich kann es mir leider nicht abgewöhnen.“ Er bot mir an, auch so ein Brandopfer darzubringen. Als aufgeklärter Mensch lehnte ich das natürlich ab. „Es ist auch besser“, sagte Herr Shi-shmi. Herbert Rosendorfer Beantworte mit Hilfe des Textausschnitts oben diese Fragen. Was macht Herr Shi-shmi wirklich, als Kao-tai meint, er bringt ein Brandopfer dar? Warum muss Herr Shi-shmi jede halbe Stunde ein solches Brandopfer darbringen? Warum ist Herrn Shi-shmi die Frage nach den Brandopfern peinlich? Glaubst du an Dämonen? Wie erklärst du es dir, wenn etwas Schlimmes passiert? Tipp Mandarin ist die Bezeichnung für einen chinesischen Beamten. Tipp Asketisch bedeutet: streng enthaltsam lebend. 1 5 10 15 20 18 Im Roman „ “ von Herbert Rosendorfer wird ein Blick auf die heutige Gesellschaft aus der Sicht eines namens geworfen, der mittels in unsere Welt reiste. Erheiternd und erhellend! Ich weiß 113 Lesen Arbeitsheft 65 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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