Starke Seiten Deutsch 3, Schulbuch, aktualisierte Ausgabe

Kriminalgeschichten lesen: Gänsehaut garantiert! Du bist nun im Bilde. Gut, dann lies weiter. Sie bildeten sich ein, genügend Mut zu haben, um Mr. Shafer zu ermorden, aber in Wirklichkeit konnten sie nicht einmal eine Gans erschrecken. Mr. Shafer war gemein, er machte sie unglücklich, so wie er jeden anderen unglücklich machte. Sie hatten immer wieder nach einer anderen Wohnung gesucht, aber sie fanden keine, die sie sich leisten konnten. Sie wollten ja auch bleiben, wo sie waren, in der Nähe ihrer Geschäfte, nahe bei ihrer Kirche und nahe bei ihrem Arzt. Sie liebten die vertraute Wohngegend, obwohl sich viele Häuser in unpersönliche Mietskasernen verwandelt hatten. Wenn sie nur diesen Mr. Shafer loswürden, der den ganzen Tag über die Leute schikanierte. Aber sie konnten es nicht. Die ganze Sache mit dem Mord war ja bloß so dahingeredet. Sie hatten nur ihre Fantasie spielen lassen. Es war, als ob zwei Spieler über einen Millionengewinn redeten, aber keinen Dollar in der Tasche hatten, um ihn zu setzen. An dem Tag, da sich Mrs. Franklin und Mrs. Harrison entschieden hatten, dass ein Stoß die beste Möglichkeit wäre, Mr. Shafer zu ermorden, kam der Frühling in die Stadt. Diesem ersten warmen Tag konnten sie nicht widerstehen. Sie verlegten ihr übliches Kuchenfest auf den Nachmittag. Mrs. Harrison wollte in die Stadt gehen und nachschauen, wie die neuen Hüte aussahen. Natürlich wollte sie keinen kaufen. Mrs. Franklin hatte vor, ein bisschen herumzubummeln und die Narzissen und Krokusse im Park zu bewundern. Mr. Shafer hörte sie weggehen. „Blöde alte Ziegen“, sagte er. „Solange sie weg sind, kann man hier endlich wieder atmen.“ Jetzt war nur noch Lawrence Allen im Haus, der im Zimmer neben Mrs. Franklin wohnte. Er hörte nicht, wie die Frauen weggingen, obwohl die Wände sehr dünn waren. Seine Ohren waren nicht mehr so gut. Es machte ihm nichts aus, dass er langsam taub wurde und dass ihn die Leute anschreien mussten. Für ihn war nur wichtig, dass er noch gut sehen konnte. Und die Hand bewegen, beim Malen. Malen zu können, darauf hatte er sein ganzes Leben gewartet. Ein Sonntagsmaler oder Hobbymaler hatte er nicht sein wollen. Von Pfuscherei hatte er nichts gehalten. In jedem wachen Moment wollte er ein echter Maler sein. Nun, da seine Jugend und sein Arbeitsleben und die ganze damit verbundene Verantwortung vorbei waren, konnte er versuchen, ein richtiger Maler zu sein. Zuerst hatte er seine Eltern finanziell unterstützt, dann musste er seine eigene Familie ernähren. Jetzt war seine Frau tot, die Söhne waren erwachsen und hatten schon selbst fast erwachsene Kinder. Nach einem Leben voller Verpflichtungen schuldete Allen nun keinem mehr etwas, außer sich selbst. Alles, was er brauchte, war ein Platz, 8 Tipp Unter Mietskaserne versteht man ein mehrgeschossiges einfaches Wohnhaus. Tipp Narzissen und Krokusse sind Frühlingsblumen. 1 5 10 15 20 25 30 35 DaZ sm43v6 10 Kriminelle Machenschaften Nur zu Prüfz ecken – Eigentum des Verlags öbv

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