Starke Seiten Deutsch 2, Schulbuch, aktualisierte Ausgabe

Texte lesen: Eine närrische Stadt Auch die lustigen Geschichten über die Schildbürger, wohnhaft im fiktiven Ort Schilda, sind eine bekannte Sammlung von Schelmen­ geschichten. Die Schildbürger stellen sich absichtlich dümmer, als sie sind. Lies die folgende Geschichte über das neue Rathaus. Nun wollten die Schildbürger ein neues Rathaus bauen. „Lasst es uns langsam und gemächlich angehen“, mahnte der Bürgermeister, „sonst merken es die Leute, dass wir uns nur dumm stellen!“ Sie zogen alle vor das Stadttor in den Wald, um Bauholz zu fällen. Nun wurden die drei Hauptmauern des Rathauses aufgemauert, denn schließlich sollte das neue Rathaus etwas Besonderes werden. Die Fußböden waren bald eingezogen, ebenso die Stiegen zwischen den Stockwerken gesetzt. Bald war es Zeit, das Dach zu decken. Sie machten einen Dachstuhl in Form einer dreiseitigen Pyramide und bildeten dann eine lange Reihe, damit sie die Dachziegel von einer Hand zur anderen weitergeben konnten. Endlich sollte das neue Rathaus eingeweiht werden. Wie groß aber war ihr Erstaunen, als es darin so finster war, dass einer den anderen kaum sehen konnte. „Haben wir beim Bauen irgendeinen Fehler gemacht, wodurch das Licht aufgehalten wird?“, fragten sie sich. Doch niemand wusste Rat. Zur ersten Sitzung erschienen alle Schildbürger mit Kerzen auf ihren Hüten. Sie beratschlagten, wie sie Licht hereinbringen könnten. Einer von ihnen machte nun folgenden Vorschlag: „Vielleicht müssen wir nur das Licht, das es in Hülle und Fülle draußen gibt, hereintragen. Wasser gibt man doch auch in Eimer.“ Über diesen kühnen Ratschlag freuten sich alle und machten sich gleich an die Arbeit. Mit großen Säcken, Eimern und Fässern fingen sie das Sonnenlicht ein, rannten damit ins Rathaus und schütteten es dort aus. Am Abend waren alle recht müde, doch im Rathaus war es noch immer finster. Um sich von der großen Anstrengung zu erholen, zogen sie ins Wirtshaus. Dort leistete ihnen ein fremder Wandersbursch Gesellschaft, dem sie ihr Leid klagten. Er versprach, sich das Rathaus anzusehen und sie zu beraten. Daraufhin wurde er von den glücklichen Schildbürgern zu Speis und Trank eingeladen. Am nächsten Tag schlug er ihnen vor, alle Dachziegel wegzunehmen. Das geschah auch sogleich. Dem klugen Wandersburschen überreichten sie einen Beutel Dukaten als Lohn für seinen Einfall. Der Bursch verließ eilig die Stadt und kam nie wieder. Noch heute weiß man nicht, wer es gewesen, woher er gekommen und wohin er gegangen ist. Ob es Till Eulenspiegel war? Nach: Kurt Eigl 26 Tipp Das Adjektiv fiktiv bedeutet erfunden, nicht wirklich. 1 5 10 15 20 25 30 DaZ  k598kr DaZ  r3t5qd Tipp Auch heute spricht man von einem Schildbürgerstreich , wenn eine Handlung das angestrebte Ziel verfehlt. Rossauer Kaserne in Wien Tipp Zähle die Situationen auf, in denen sich im Text das närrische Verhalten der Schildbürger zeigt. Zum Beispiel: dreiseitiges Rathaus bauen … 60 Seltsame Vögel Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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