sprachreif 3/4, Schülerbuch

Semestercheck 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 Henriette zögert, als sie in die winzige Kabine klettern soll. Wenig später sitzt die Zweijährige auf dem Schoß ihrer Mutter. Die Augen leuchten. Vor ihr steht ein Bildschirm, ein Film läuft. Plötzlich horcht sie auf. Etwas summt, ähnlich wie ein Handy. Was Henriette nicht weiß: Eine Spezialkamera für Eye-Tracking zeichnet ihre Augenbewegungen und die Pupillengröße auf. Henriette sitzt im Zentrum eines Versuchs im Kinderlabor in Magdeburg. Es geht um Aufmerksamkeit, Ablenkung und den Aufbau des Gehirns. Es geht um aktuelle Forschung – auch zum Einfluss der digitalen Dauerbespielung. Außerhalb der Kabine wandern die Blicke von Professorin Nicole Wetzel zwischen mehreren Monitoren hin und her. Zu ihr werden die Daten von Testpersonen drinnen übertragen. Weiße Bluse, dunkles Jackett, Jeans, so sitzt die 45-Jährige in dem Labor am Leibniz-Institut für Neurobiologie. Sie möchte ergründen, wie sich Aufmerksamkeit, Lernen und das Gedächtnis von Kindern und Jugendlichen entwickeln. […] Je jünger, desto mehr beeinträchtigt Bei Versuchen kontrolliert ihr Team die Augen – wie bei Henriette. Die Pupillen reagieren nicht nur auf Licht, sondern auch auf kognitive Prozesse. „Wenn wir etwas Überraschendes hören, weiten sich unsere Pupillen“, erläutert die Forscherin. Eigentlich sollen die Testpersonen eine Aufgabe erfüllen. Wenn zwischendurch ein Handy klingelt, können die Forscher mit ihren Eye-Trackern erkennen, dass jemand von seinem eigentlichen Ziel abgelenkt wird. Eine weitere Messmethode setzt bei den elektrischen Strömen im Gehirn an. Dafür bekommen die Probanden Hauben mit Elektroden für ein EEG auf den Kopf gezogen. Die Messkappen zeichnen auf, welche Bezirke im Kopf in Schwung kommen, wenn ein Reiz eintrifft. Bestimmte Muster erlauben den Forschern Rückschlüsse, wie abgelenkt jemand ist. „Wenn ein Störgeräusch eingespielt wird, reagieren die Kinder meist langsamer oder machen mehr Fehler“, sagt Wetzel. „Und je jünger die Kinder sind, desto mehr sind sie beeinträchtigt in ihrer Leistung.“ Nun ist unser Denkapparat keine Festplatte, auf der man nur speichert und abruft, sondern ein empfindliches, hochgradig wandelbares Organ. Das Hirn reagiert schnell auf Einflüsse von außen, es ändert seine Vernetzungen. Experten sprechen von Plastizität. „Man kann sich das vereinfacht so wie ein Wegenetz vorstellen: Am Anfang, bei einem Kleinkind, sind viele Wege angelegt“, erläutert Wetzel. „Und die Wege, die die Kinder häufig nutzen, die werden zu großen, breiten Straßen ausgebaut, wo der Verkehr schnell fließt.“ Wenig genutzte Wege verkümmern – ihr Ausbau wird später im Leben mühsamer. „Wenn ich jeden Tag viele Male mein Handy hervorziehe, wird das irgendwann auch so eine breite Straße – um im Bild zu bleiben.“ Wenn Menschen in jungen Jahren schnell abgelenkt sind von Handynachrichten und Pieptönen, wenn sie Störeinflüsse schwer kontrollieren können, wird so das tiefe Verstehen behindert? „Da ist noch vieles offen und zu erforschen“, sagt Wetzel. Forscher würden sehr unterschiedliche Ergebnisse vermelden: Aufmerksamkeit kann mit bestimmten Computerspielen trainiert werden. Einerseits. „Andererseits wird über Zusammenhänge zwischen übermäßigem Medienkonsum und beeinträchtigter Aufmerksamkeit berichtet.“ […] Links lenken ab Dass digitale Techniken in diesem wichtigen Hirnteil Spuren hinterlassen, berichten auch die Experten vom Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen. Untergebracht in einem imposanten Gelbklinkerbau, mit Blick auf die mittelalterliche Innenstadt, erforschen rund 90 IWM-Wissenschaftler, wie Computer, Tablets und Internet Lernen und Lehren verbessern können. Sie nutzen – ähnlich wie die Magdeburger – auch Eye-Tracking und EEG-Hauben. „Digitale Medien sind per se weder gut noch böse“, 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 Was das Smartphone mit unserem Kopf macht Von Petra Kaminsky | 14.07.2019 Digitale Medien verändern das Gehirn. Doch wie? Studien zeigen, dass das Handy Konzentration und Aufmerksamkeit stören kann – und den Schlaf. In einigen Situationen ist das Gehirn einfach überfordert. 94 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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