Politische Flugschriften Nach der Erfindung des Buchdrucks entstand innerhalb kurzer Zeit die Idee der Flugschrift, um Gedanken, Meinungen, Proteste und Aufrufe schnell und unkompliziert unters Volk zu bringen. Flugschriften sind meist mehrseitige Dokumente, die als Reaktion auf politische oder soziale Gegebenheiten oder Konflikte erscheinen und das Volk informieren bzw. zu einem Protest oder einer Aktion aufrufen sollen. Sie beinhalten oft Bilder, um von allen verstanden zu werden. Eine der bekanntesten Flugschriften war der 1834 erschienene Hessische Landbote von Georg Büchner, der zur Rebellion gegen die Herrschenden und die Ungerechtigkeiten gegenüber dem Volk aufrief. Einen Auszug einer politischen Flugschrift bearbeiten A21 Lesen Sie den Auszug aus Büchners Flugschrift Der Hessische Landbote und diskutieren Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner, wie der Text auf Sie wirkt. Berücksichtigen Sie dabei folgende Fragen: • Welche Reaktion wollte die Flugschrift wohl auslösen? • Welche Argumente werden verwendet? • Welche Beweise liefert der Autor? Georg Büchner: Der Hessische Landbote (1834) Erste Botschaft Darmstadt, im Juli 1834 Vorbericht Dieses Blatt soll dem hessischen Lande die Wahrheit melden, aber wer die Wahrheit sagt, wird gehenkt, ja sogar der, welcher die Wahrheit liest, wird durch meineidige Richter vielleicht gestraft. Darum haben die, welchen dies Blatt zukommt, folgendes zu beobachten: 1. Sie müssen das Blatt sorgfältig außerhalb ihres Hauses vor der Polizei verwahren; 2. sie dürfen es nur an treue Freunde mitteilen; 3. denen, welchen sie nicht trauen, wie sich selbst, dürfen sie es nur heimlich hinterlegen; 4. würde das Blatt dennoch bei Einem gefunden, der es gelesen hat, so muß er gestehen, daß er es eben dem Kreisrat habe bringen wollen; 5. wer das Blatt nicht gelesen hat, wenn man es bei ihm findet, der ist natürlich ohne Schuld. Friede den Hütten! Krieg den Palästen! Im Jahr 1834 sieht es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am 5ten Tage, und die Fürsten und Vornehmen am 6ten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: Herrschet über alles Getier11, das auf Erden kriecht, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt. Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag, sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigne Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug und treibt ihn mit den Ochsen am Pflug, er nimmt das Korn und läßt ihm die Stoppeln. Das Leben des Bauern ist ein langer Werktag; Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele12, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tische des Vornehmen. Im Großherzogtum Hessen sind 718,373 Einwohner, die geben an den Staat jährlich an 6,363,364 Gulden,[…] Dies Geld ist der Blutzehnte13, der von dem Leib des Volkes genommen wird. An 700,000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Staates wird es erpreßt, die Presser berufen sich auf die Regierung und die Regierung sagt, das sei nötig die Ordnung im Staat zu erhalten. Was ist C 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 Georg Büchner, undatierte Zeichnung 71 Textkompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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