Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen (1844) CAPUT I (KAPITEL I) Im traurigen Monat November war’s, Die Tage wurden trüber, Der Wind riss von den Bäumen das Laub, Da reist ich nach Deutschland hinüber. Und als ich an die Grenze kam, Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen In meiner Brust, ich glaube sogar Die Augen begunnen zu tropfen. Und als ich die deutsche Sprache vernahm, Da ward mir seltsam zumute; Ich meinte nicht anders, als ob das Herz Recht angenehm verblute. Ein kleines Harfenmädchen sang. Sie sang mit wahrem Gefühle Und falscher Stimme, doch ward ich sehr Gerühret von ihrem Spiele. Sie sang von Liebe und Liebesgram7, Aufopfrung und Wiederfinden Dort oben, in jener besseren Welt, Wo alle Leiden schwinden. Sie sang vom irdischen Jammertal, Von Freuden, die bald zerronnen, Vom jenseits, wo die Seele schwelgt Verklärt in ew’gen Wonnen. MERKENSWERT Merkmale romantischer Dichtung Einen großen Einfluss auf die Dichtung der Romantik hatten Philosophen wie Johann Gottlieb Fichte, der das Ich in den Mittelpunkt seiner Betrachtungsweise stellte. Für viele Romantiker/innen bedeutete Dichtung Freiheit, die wiederum im Gegensatz zur politischen Freiheit stand. Viel Macht wurde der Dichterin bzw. dem Dichter in der Romantik zugestanden: Sie/Er allein spielt mit seinen Leserinnen und Lesern und kann jederzeit die aufgebaute romantische Illusion vom weniger grauen Alltag bzw. vom phantasiereichen, gefühlsbetonten Traumreich, wieder zerstören. In der romantischen Lyrik geht es weniger um den Inhalt bzw. die Darstellung der Wirklichkeit als um formschöne Sprache, Wortklang, Rhythmus, sprachliche Bilder, Musikalität etc. Nicht nur deswegen wurden sehr viele romantische Gedichte vertont. Sehr oft wird zum Stilmittel der Ironie gegriffen, in der auf indirekte Weise Spott zum Ausdruck gebracht werden kann. je vier Hebungen je vier Hebungen im Gedicht spricht das lyrische Ich A (reimlos) B (Reimschema B) C (reimlos) B (Reimschema B); Kreuzreim; Metapher des Herzklopfens 1 zeugt von der Liebe zur Heimat männl. Kadenz (Zeilenabschluss m. bet. Silbe) weibl. Kadenz (unbet. Silbe) männliche Kadenz weibliche Kadenz Versmaß: (großteils) Jambus Enjambement: Zeilensprung Antithese Metapher Hyperbel Dysphemismus (abwertende Umschreibung) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Heinrich Heine, Ölskizze von Moritz Daniel Oppenheim, um 1831 50 2 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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