E. T. A. Hoffmann: Das Fräulein von Scuderi (1819) Die hellen Strahlen des Morgens brachen durch die Fenster. Desgrais klopfte leise an die Türe des Zimmers ( ) und erinnerte, dass es Zeit sei, Olivier Brusson wegzubringen ( ), da, ohne Aufsehen zu erregen, das später nicht geschehen könne. Die Liebenden mussten sich trennen. Die dunklen Ahnungen, von denen der Scuderi Gemüt bedrückt ( ) seit Brussons erstem Eintritt in ihr Haus, hatten sich nun zum Leben gestaltet auf furchtbare Weise. Den Sohn ihrer geliebten Anne sah sie schuldlos verstrickt auf eine Art, dass ihn vom gemeinen ( ) Tod zu retten kaum denkbar schien. Sie ehrte des Burschen ( ) Heldensinn, der lieber schuldbeladen sterben, als ein Geheimnis verraten wollte, das seiner Madelon den Tod bringen musste. Im ganzen Reiche der Möglichkeit fand sie kein Mittel, den Ärmsten dem grausamen Gerichtshofe wegzunehmen ( ). Und doch stand es fest in ihrer Seele, dass sie alles tun ( ) müsse, das große ( ) Unrecht abzuwenden, das man zu tun ( ) im Begriffe war. Sie quälte sich ab mit allerlei Entwürfen und Plänen, die bis an das Abenteuerliche streiften und die sie ebenso schnell verwarf als hatte ( ). Immer mehr ging jeder Hoffnungsschimmer weg ( ), so dass sie verzweifeln wollte. Aber Madelons unbedingtes, frommes kindliches Vertrauen, die Begeisterung ( ), mit der sie von dem Geliebten sprach, der nun bald, freigesprochen von jeder Schuld, sie als Ehefrau ( ) umarmen werde, richtete die Scuderi in eben dem Grad wieder auf, als sie davon bewegt ( ) wurde. Um nun endlich etwas zu tun, schrieb die Scuderi an la Regnie einen langen Brief, wo ( ) sie ihm sagte, dass Olivier Brusson ihr auf die glaubwürdigste Weise seine völlige Unschuld an Cardillacs Tode gesagt habe ( ) und dass nur der heldenmütige Entschluss, ein Geheimnis in das Grab zu nehmen, dessen Enthüllung die Unschuld und Tugend selbst kaputtmachen ( ) würde, ihn zurückhalte, dem Gericht ein Geständnis abzulegen, das ihn von dem entsetzlichen Verdacht, nicht allein dass er Cardillac ermordet, sondern dass er auch zur Mördergang ( ) gehöre, befreien müsse. Alles, was glühender Eifer, was geistvolle Beredsamkeit vermag, hatte die Scuderi aufgeboten, la Regnies Mitleid hervorzurufen ( ). Nach wenigen Stunden antwortete la Regnie, wie es ihn herzlich freue, wenn Olivier Brusson sich bei seiner tollen Helferin ( ) gänzlich gerechtfertigt habe. Was Oliviers super ( ) Entschluss betreffe, ein Geheimnis, das sich auf die Tat beziehe, mit ins Grab nehmen zu wollen, so tue es ihm leid, dass die Chambre ardente2 dergleichen Heldenmut nicht ehren könne, denselben vielmehr durch die kräftigsten Mittel zu brechen suchen müsse. Nach drei Tagen hoffe er in dem Besitz des seltsamen Geheimnisses zu sein, das wahrscheinlich geschehene Wunder an den Tag bringen werde. 2 franz. glühende Kammer, hier: ein außerordentlicher Gerichtshof, der sehr strenge Strafen verhängte, u. a. oft den Feuertod. QUELLE: http://www.zeno.org/Literatur/M/Hoffmann,+E.+T.+A./Erzählungen,+Märchen+und+Schriften/Die+Serapionsbrüder/Dritter+Band/Sechster+Abschnitt/ Das+Fräulein+von+Scuderi; (abgerufen am 11.12.2021) A10 Suchen Sie nun selbst einen Textausschnitt aus einem romantischen Werk (z. B. Märchen wie Der gestiefelte Kater von Ludwig Tieck, Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm, die Novellen Der Sandmann von E. T. A. Hoffmann oder auch Aus dem Leben eines Taugenichts von Joseph von Eichendorff), verändern Sie darin ebenso einige Begriffe und notieren Sie diese in einer Tabelle. Nehmen Sie dazu ein Synonym-Wörterbuch zu Hilfe. Tauschen Sie anschließend Ihre Stilübungen mit Ihrer Partnerin bzw. Ihrem Partner aus. B 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 Der gestiefelte Kater, Carl Offterdinger, 19. Jh. 41 Textkompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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