Semestercheck „Das Zeitfenster wird kleiner“ Von Birk Grüling | 12.10.2021 In ihrem Buch „Ändert sich nichts, ändert sich alles“ schildert Katharina Rogenhofer eindrücklich die Folgen des Klimawandels – aber zeigt auch Lösungen auf. fluter.de: Der aktuelle Bericht des Weltklimarats warnt vor einer Erderwärmung von 1,5 Grad bis 2030 und einer Zunahme von Extremwetterereignissen. Überraschen Sie diese Erkenntnisse? Katharina Rogenhofer: Sie sind nicht neu, weder für Forschende noch für Politiker. Die Klimamodelle sind allerdings verlässlicher geworden. Auch die Eindringlichkeit der Ergebnisse hat zugenommen. Wenn wir jetzt nicht unsere Emissionen reduzieren, kann es schnell zu sogenannten Kipppunkten kommen – zum Beispiel dem Abtauen des Permafrostbodens in Sibirien. Dann wird sich die Klimakrise beschleunigen und ein Gegensteuern noch schwerer. Warum eigentlich genau? Wenn der Permafrostboden auftaut, wird Methan und CO2 frei. Dieses Gas heizt die Atmosphäre auf. So entsteht ein Teufelskreis. Von solchen gefährlichen Rückkopplungseffekten gibt es auf der Erde einige. Im Buch vergleiche ich die aktuelle Situation mit einem Boot, das mit schneller werdender Strömung auf einen Wasserfall zusteuert. Wir wissen nicht genau, wie tief es hinuntergeht und was uns unten erwartet. Den Fall sollten wir jedoch tunlichst vermeiden. Ich möchte mir jedenfalls keine Welt vorstellen, die drei oder vier Grad wärmer ist als die heutige. Sie sind Wissenschaftlerin und Klimaaktivistin. War das eine Auslöser für das andere? Forschende sind nicht nur Menschen, die Zahlen und Fakten im Blick haben, sondern auch aktiver Teil der Gesellschaft. Deshalb ist das Bild der Wissenschaft im Elfenbeinturm längst überholt. Klimaforschende treten auch als Mahner der Politik auf, engagieren sich in der Bildung oder unterstützen Umweltorganisationen. Im Wahlkampf hörten wir oft, dass Klimaschutz nicht auf Kosten der Menschen oder Wirtschaft gehen darf. Geht Klimaschutz, ohne Opfer zu bringen? Wenn wir so weitermachen wie bisher, müssen wir in Zukunft auf fast alles verzichten, was wir jetzt als gegeben annehmen. Extremwetterereignisse wie kürzlich die Hochwasser in Deutschland und Österreich werden zunehmen, viele Menschen sterben, der Wiederaufbau wird Milliarden kosten. Einen größeren Verzicht als auf unsere Lebensgrundlage gibt es wohl nicht. Mutige Klimapolitik könnte für uns also am Ende sogar einen Gewinn an Lebensqualität bedeuten. Aber die Politik muss die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen und dabei soziale Aspekte berücksichtigen. In Ihrem Buch fordern Sie dazu einen Green New Deal. Was verstehen Sie darunter? Der Begriff leitet sich von dem „New Deal“ von US-Präsident Franklin D. Roosevelt ab. Das waren umfangreiche Sozial- und Wirtschaftsreformen als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre. Dieses Programm hat viel Positives bewirkt. Es wurde die Infrastruktur ausgebaut, elektrische Leitungen gelegt, Kanalsysteme und Straßen errichtet. Ein politisches Programm dieser Größenordnung brauchen wir heute auch. Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, eine soziale Perspektive, ein gutes Einkommen – und gleichzeitig dürfen wir die Grenzen des Planeten nicht weiter überschreiten. Haben Sie ein paar konkrete Vorschläge, wie das gelingen kann? Wir müssen erst mal damit aufhören, das Falsche zu tun: Wir sollten Straßenprojekte überdenken, alternative Mobilitätskonzepte für Pendler stärken, keine Öl- und Gasheizungen mehr verbauen, Subventionen für klimaschädliche Technologien einstellen. Und wir müssen anfangen, das Richtige zu tun. Also erneuerbare Energien stärker ausbauen, klimafreundliches Bauen und Sanieren fördern, den öffentlichen Nahverkehr in Stadt und Land neu denken oder Arbeitsmarktprogramme für grüne Berufe schaffen. Das ist eine riesige Aufgabe, da viele Reformen gleichzeitig stattfinden müssen, aber es lohnt sich. Welche Rolle spielen dabei neue Technologien? Grüne Technologien sind wichtig, gerade wenn es um erneuerbare Energien oder klimafreundliche 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 238 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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