sprachreif 3/4, Schülerbuch

Das ist genderleicht: Provozieren mit dem Glottisschlag A5 Lesen Sie Armin Wolfs Blogeintrag, der von Gendern im öffentlichen Fernsehen berichtet. • Klären Sie erstens gemeinsam mit Ihrer Sitznachbarin oder Ihrem Sitznachbarn, was unter dem Glottisschlag zu verstehen ist. • Konzentrieren Sie sich dann speziell auf die Kritik, welcher der Journalist ob seines Genderns ausgesetzt ist, und besprechen Sie mit Ihrer Sitznachbarin oder Ihrem Sitznachbarn, welche Vorwürfe gemacht werden und warum Gendern so polarisiert. B 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 Da die patriarchale Gesellschaftsordnung, die unsere Geschichte prägt, den Frauen ohnehin keine Funktion im öffentlichen Leben zuwies, die mit Beruf, Status oder offizieller Tätigkeit zu tun hatte, stellte sich die Frage, ob bei der Verwendung einer -er-Form Frauen mitgemeint sein könnten, lange Zeit nicht. Konsequenterweise benennt das Ableitungssuffix -in, das sekundär auch an Ableitungen mit -er angehängt wird (Müller, Müllerin), zunächst die Funktion als Ehefrau des Betreffenden und nicht den Beruf einer Frau. Keine Zulassung als Anwältin, weil in der Verordnung nur Anwalt steht Die ersten Dokumente, die darüber sprechen, dass Personenbezeichnungen wie Bürger oder Müller in verallgemeinernder Weise für beide Geschlechter stehen können, berufen sich gerade nicht auf eine angebliche Geschlechtsneutralität der Maskulinformen, sondern ganz explizit darauf, dass sie geschlechtsspezifisch männlich sind. Dabei wird – in offen sexistischer Manier – mit der „natürlichen“ Rangordnung der Geschlechter argumentiert: Männer seien das erste, privilegierte und würdigere Geschlecht, daher muss bei verallgemeinernder Bedeutung die männliche Sprachform, zum Beispiel Bürger (semantisch männlich, grammatisch Maskulinum), gewählt werden. Da Frauen an sich nachrangig sind, muss man sie nicht nennen. Im 19. Jahrhundert, in Aufzeichnungen zu Sitzungen der Frankfurter Nationalversammlung, wird eine generische Interpretation von Maskulinformen wie Bürger, Abgeordneter in rechtlichen Texten sogar explizit verneint. Diese Formen wurden spezifisch männlich definiert, Frauen waren ausgeschlossen. Heute können Frauen „mitgemeint“ sein. Sie können aber auch jederzeit ausgeschlossen werden! Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es dokumentierte Fälle offener Diskriminierung (zum Beispiel die Versagung der Zulassung als Anwältin für eine promovierte Juristin), die sich explizit darauf berufen, dass eine angeblich generisch maskuline Form (Anwalt, Landrat) im entscheidenden Text dann doch ausschließlich spezifisch auf Männer bezogen sei . […] QUELLE: https://www.tagesspiegel.de/wissen/streit-um-das-generische-maskulinum-mitgemeint-aber-ausgeschlossen/23077686.html; (abgerufen am 26.01.2022) 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 MERKENSWERT Das generische Maskulinum Das generische Maskulinum zu verwenden heißt, dass rein männliche Formen zur Bezeichnung von Personengruppen oder Einzelpersonen weibliche Personen miteinschließen. 210 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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