A10 Beschreiben Sie die von Tristan Harris verfolgten Intentionen und formulieren Sie die implizierten Appelle an die Leserschaft aus. C 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 ausschließlich die Suchfunktion, damit mich all ihre bunten Icons, die aussehen wie ein Süßigkeitenladen, nicht irgendwo reinziehen. FOCUS: Wann hat Ihr Smartphone Sie denn zuletzt reingelegt, etwas zu tun, das Sie eigentlich gar nicht vorhatten? Harris: (Lacht) Oh, wahrscheinlich vor zehn Sekunden. Keiner von uns ist immun dagegen. Wir alle sind manipulierbar. FOCUS: Auch Sie? Sie sind doch Profi! Harris: Wir alle sind Säugetiere in Kleidungsstücken. Wer weiß, wie, kann uns nach Gusto manipulieren − so wie es die Werbeindustrie schon seit Ewigkeiten tut. Jetzt aber sind 1,9 Milliarden Menschen durch Facebook im selben System miteinander verbunden. Das hat eine ganz neue Dimension. Wir müssen darauf reagieren, als würden wir eine Schwachstelle in einem Computersystem entdecken, die Hacker angreifen. Wir brauchen gezielte Gegenmaßnahmen. […] FOCUS: Jeder merkt, wie abhängig ein Smartphone macht. Aber die wenigsten durchschauen, wie viel Absicht dahintersteckt. Wann fiel Ihnen das zuerst auf? Harris: Ich kam 1984, dem Geburtsjahr des Macintosh-Computers, zur Welt. Damals waren Computer Fahrräder für unseren Verstand. Sie beförderten uns zu neuen Zielen. Heute ist das anders. Da lenkt mich mein Smartphone eher von meinen Zielen ab. Als Kind war ich Zauberer. Deshalb fallen mir diese Maschen besonders auf. FOCUS: Nennen Sie uns doch mal ein paar dieser Zaubertricks. Harris: Zum „Gedankenlesen“ gehört zum Beispiel, dem Publikum ein begrenztes Auswahlmenü zu geben. Die Menschen durchschauen dann nicht, dass ihre Wahl gesteuert ist, sondern denken, ihre Entscheidung sei frei. Sie erkennen nicht, dass ihre Wahl von jemandem schon vorher festgelegt war, der völlig andere Ziele verfolgt als sie selbst. „Das Handy funktioniert wie eine Slotmaschine − und macht auch so süchtig“ FOCUS: Läuft das zum Beispiel auf Facebook so? Harris: Auf Facebook dient jede Wahl einer Funktion dazu, dich weiter auf der Seite zu halten. Egal, ob dein Finger hoch- oder runterscrollt, ob du einen Kommentar schreibst oder ein Like abgibst. Jede Aktion fügt einen weiteren Zeitblock auf dem Bildschirm hinzu. Das ist an sich nicht böse oder falsch, aber doch ein unsichtbares Ziel von Facebook. Denn wenn FB deine Nutzung maximiert, kann es mehr Anzeigen verkaufen. FOCUS: Ist das nur auf Facebook so? Harris: Selbst Meditations-Apps funktionieren nach diesem Muster. Auch denen geht es nicht primär um Seelenfrieden, sondern um deine Verweildauer. Deshalb schlagen sie dir zum Beispiel Freunde zur Auswahl vor, mit denen du gleichzeitig meditieren könntest. FOCUS: Sie vergleichen das Smartphone mit einer Slotmaschine. Harris: Der psychologische Fachbegriff heißt „variable Belohnung“. Das Handy selbst funktioniert wie eine Slotmaschine − und macht auch genauso süchtig. Im Schnitt schauen Menschen pro Tag 150-mal auf ihr Handy. Warum sind Newsfeeds unendlich? FOCUS: Was ist die bisher perfideste Art der Manipulation? Harris: Eine ganz klar manipulative Design-Taktik sind die Streaks bei Snapchat. Sie veröffentlichen die Zahl der Tage, an welchen sich zwei Mitglieder ununterbrochen antexten. Auf einer Liste gerankt kann jeder sehen, wer mit wem die meiste Zeit verbringt. So nutzt Snapchat den Reziprozitäts-Bias von Teenagern ganz gezielt aus. Beide werden aneinandergefesselt. Es gibt kein Entrinnen: Beide wollen um jeden Preis ihren Streak weiterlaufen lassen. FOCUS: Und was passiert im Urlaub, wenn es vielleicht kein Wi-Fi gibt? Harris: Das ist totaler Stress für die Kids. Sie geben dann Freunden ihr Passwort, damit diese für sie die Streaks aufrechterhalten. Die Kids werden total entmündigt. FOCUS: Warum sind die Newsfeeds auf Twitter oder Facebook eigentlich unendlich? Harris: Das ist das Prinzip der „bottomless bowl“. Ein Versuch mit einem sich automatisch nachfüllenden Suppenteller zeigte, dass Menschen so 73 Prozent mehr essen. Dieses Phänomen nutzen auch die Feeds von Facebook und Twitter. […] QUELLE: https://m.focus.de/finanzen/boerse/aktien/manipulative-tricks-insider-erzaehlt-google-kann-ihre-gedanken-lesen-sie-treffen-ihre-wahl-nicht-selbst_ id_7154654.html; (abgerufen am 02.02.2022) 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 189 Textkompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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