In vielen Fällen geht es bei der Intention nichtliterarischer Texte also darum, zu beeinflussen, was die Leserschaft von einer Sache hält bzw. wie sie zu einem Thema steht. Dies ist dann der Fall, wenn der Text keine oder nur wenige objektive Äußerungen tätigt und klar Stellung bezieht. Insbesondere Interviews dienen der Vermittlung des eigenen Standpunktes in Hinsicht auf die befragte Person. A9 Lesen Sie das Interview mit Tristan Harris, der die Praktiken des Silicon Valley aufdeckt und kritisiert. Fassen Sie die genannten Tricks der Branche in eigenen Worten zusammen. 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 Warum zur Hölle nehmen diese ganzen Social-Media-Plattformen bloß an, dass man permanent ansprechbar sein möchte, reden will, Anschluss sucht? Wieso lassen die einen nicht unsozial sein und stumm glotzen? Hat man denn nicht mal in der existenziellen Einsamkeit des Foto-Anguckens seine Ruhe? Und ist Instagram nicht genau die App, die den Spanner in uns allen am ehesten anspricht? Man möchte doch bitte unbeobachtet bleiben dabei, andere zu beobachten: die 500 besten Follower-Freunde, die rund um die Uhr aus allen Erdteilen Sonnenuntergänge posten, bis einem als Betrachter aus den Augen das Blut rinnt, weil die Tränendrüsen vor lauter Fernweh längst leergeweint sind; all die Influencer, die sich einen abbrechen dabei, auch nach dem tausendsten Selfie noch eine Körperposition zu finden, in der sie sich nicht bereits selbst fotografiert haben (und das so, dass die Produkte, für die sie Werbung machen, trotzdem noch gut im Bild sind); die aus der Ferne stets etwas verkrampft und sozialphobisch wirkenden User, denen man unbekannterweise folgt und die Instagram irgendwann zum Ablageort für merkwürdige Fotoserien auserkoren haben von unendlich vielen Variationen von Wolkenformationen, Oldtimern, Aufzug-Selfies. Wollen Influencer überhaupt mit einem reden? Mit all denen möchte man lieber nicht reden. Und die bestimmt auch nicht mit einem selbst. Wir wollen uns doch auf Instagram alle nur anstarren gegenseitig. Und liken. Ganz viel liken. Das ist Instagram aber offenkundig nicht genug. Ihr reicht es nicht, dass Menschen dort Fotos und Videos anschauen oder selbst posten, sie sollen auch noch mit Quatschen ihre Zeit auf der App verplempern. Und aus ihr am besten gar nicht mehr rauskommen. Selbstverständlich kann man den grünen Punkt der Anwesenheit auch ausschalten, wenn man denn tief in den Instagram-Einstellungen den Punkt „Aktivitätsstatus“ findet. Macht man so unkenntlich, wann man zuletzt die App geöffnet hat, sieht man das allerdings auch bei allen Menschen nicht mehr, denen man folgt. Versteckt man sich, werden zur Strafe also alle anderen vor einem versteckt. Bisschen asozial, dieses soziale Netzwerk. Fast so wie man selbst. QUELLE: https://www.zeit.de/digital/2018-07/instagram-soziale-netzwerke-fotos-ruhe-online?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.at%2F; (abgerufen am 02.02.2022) 84 86 88 90 92 94 96 98 100 102 104 106 2 4 6 8 FOCUS: Herr Harris, liegt Ihr iPhone absichtlich mit dem Bildschirm nach unten auf dem Tisch? Tristan Harris: Ja, damit ich nicht sehe, wenn Benachrichtigungen reinkommen. Oft stelle ich es auch in den Flugmodus. Selbst ein harmloses Summen raubt einen kleinen Zeitblock in meinem Bewusstsein. Außerdem erzeugt es einen Anstieg des Stresshormons Cortisol in mir. Zwar kann ich mich schnell beruhigen, aber der Fakt bleibt: Die Technologie konditioniert meinen Körper wie Pawlow damals seinen Hund. FOCUS: Zeigen Sie mal Ihren Homescreen − der sieht ja ganz grau und leer aus! Harris: Ich habe nur sechs essenzielle Apps darauf, die ich ständig brauche. Alle anderen liegen in einem Ordner viel weiter hinten. Für sie nutze ich 10 12 14 16 Dieser Mann ist das schlechte Gewissen von Google Von Susann Remke | 29.05.2017 Er hat für Apple programmiert und war Design-Ethiker bei Google: Heute gehört Tristan Harris zu den schärfsten Kritikern des Silicon Valley. Hier erklärt er die manipulativen Tricks der Branche. 188 7 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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