„Warum so nah, du Schuft?“ (Z. 11 f.), die sie allerdings nicht laut sagt. „Schuft“ ist ein Archaismus für einen ekelhaften, triebgesteuerten, auch verbrecherischen Mann, Else wiederholt es insgesamt fünf Mal, ein weiteres Zeichen ihrer verständlichen Abneigung. Als ob der Wunsch, die junge Frau im Gegenzug für die Aushilfe in der prekären finanziellen Lage der Familie nackt zu sehen, nicht schon genug wäre, unterstreicht der „alte weiße Mann“ Dorsday dies auch noch mit der Aussage, dass „Else nicht ärmer durch das werde, was er sich dieses Mal kaufen wolle, so viel es auch sei“ (Z. 28 f.). Ihr geht wenig später „wie zu einer Sklavin spricht er mit mir“ (Z. 55) durch den Kopf … An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass sich hieran, 100 Jahre später, leider noch nicht genug geändert hat, ansonsten wäre #METOO obsolet. Elses Wiederholung „Nein, nein, nein!“ (Z. 92) beim Nachdenken über den Betrag von 30.000 Gulden lässt die Leserschaft all ihre Abneigung fühlen, auch ihren Ekel während des Handkusses. Nicht zu vergessen: Es ist ihr eigener Vater, der Else überhaupt in diese missliche Lage gebracht hat – eventuell kennt er seinen Freund Dorsday sehr gut oder hätte selbst ähnliche Gegenleistungen von anderen jungen Frauen erwartet, was alles nur noch schlimmer macht. Auch ihr kurz als ein „Ausweg“ erscheinender Dr. Fiala erweist sich in Elses Gedanken als keine Option: „Gnade, Gnade (Stilmittel der Wiederholung/Anapher), Herr Doktor Fiala. Mit Vergnügen, mein Fräulein. Bemühen Sie sich in mein Schlafzimmer.“ (Z. 95 f.) Else erwähnt auch noch zwei männliche Bekannte, Rudi (Z. 84), oder ihren Cousin Paul (Z. 97), von denen sie aber vermutlich keinen von beiden in einem Duell gegen von Dorsday, zu dieser Zeit eine übliche Vorgehensweise zur Wiederherstellung von Ehrschändung, verlieren möchte. Keiner der von Else angedachten Männer ist eine wirkliche Option, Frauen kommen in ihren Gedanken nicht vor. Auch das zeugt davon, wie sehr die Welt damals von einem maskulinen Blick aus betrachtet, gesteuert und „weiterentwickelt“ wurde. Nicht nur deshalb liegt es in unser aller gemeinsamen Verantwortung, solche oder ähnliche (Macht-)Missbrauchssituation tunlichst zu vermeiden, anzuprangern und auch unter Strafe zu stellen! (617 Wörter) A17 Tauschen Sie Ihre Interpretation mit Ihrer Partnerin bzw. Ihrem Partner aus und korrigieren Sie sie. Sie können auch den oben abgedruckten Schüler/innentext überarbeiten. A18 Besprechen Sie Ihre Textinterpretationen gemeinsam mit Ihrer Partnerin bzw. Ihrem Partner. Benutzen Sie auch die Checkliste auf S. 136 und geben Sie sich gegenseitig mündlich Feedback. A19 Bilden Sie nun Vierergruppen und besprechen Sie alle vier Textinterpretationen. Notieren Sie sich, was bei den anderen Interpretationen gut gelungen ist. Benutzen Sie die Checkliste und geben Sie sich gegenseitig Feedback. A20 Sprechen Sie anschließend über Ihre verschiedenen Interpretationsansätze zu Fräulein Else. Gibt es Interpretationsergebnisse, mit denen Sie überhaupt nicht übereinstimmen? Begründen Sie Ihre Meinung mit stichhaltigen Argumenten, die auf Ihrer selbstständigen Auseinandersetzung mit dem Text basieren. A21 Diskutieren Sie in der Gruppe, welche Auslegungen von Fräulein Else noch plausibel (glaubwürdig) wären. Notieren Sie sich Stichwörter und besprechen Sie Ihre Ergebnisse im Klassenplenum. B B C C C 137 Schriftliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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