sprachreif 3/4, Schülerbuch

64 66 68 70 72 74 76 78 turelle oder gar nationale Identität widerzuspiegeln. Und dass ein Küchenstil, der nicht durch Austausch, Handel, Reise, aber auch Eroberung, Migration und eben Aneignung entstanden ist, kaum denkbar ist. Genauso wenig wie eine Welt aus einheitlichen und von unüberwindlichen Barrieren umgebenen Kulturkreisen, in denen unverfälschte Gerichte entstehen, deren Reinheit es zu bewahren gelte. Zudem spiegelt Küche den ständigen Wandel der Gesellschaft wider, indem sie sich selbst wandelt – und unter natürlichen Umständen niemals festgefahren in der Zeit stehen bleibt. […] Weswegen, gerade wenn es um Küche geht, die in diesem Zusammenhang so häufig strapazierten Begriffe wie Originaltreue, Ursprung, Herkunft und Authentizität weitestgehend sinnentleert sind. Das Fremde verschlingen […] Problematisch wird es vor allem dann, wenn im Zusammenhang mit Küche Begriffe fallen wie Reinheit, Unverfälschtheit oder Heimattreue. Denn in Wahrheit gehören das Gulasch, das Wiener Schnitzel, die böhmischen Mehlspeisen, die bosnischen Ćevapčići, die Sushi, Pizzen, Crêpes, Hamburger, aber auch haitianische Suppen und alle anderen Speisen, die einem einfallen mögen, überhaupt niemandem. Oder aber all jenen, denen sie schmecken. Man kann es aber auch anders sagen, nämlich frei nach Goethe. Der bescheinigte der Sprache, dass deren Gewalt es nicht sei, das Fremde abzuweisen, sondern es zu verschlingen. Für die Küche mag dasselbe gelten. QUELLE: https://www.derstandard.at/story/2000126354955/welcher-kultur-gehoert-welches; (abgerufen am 08.01.2022) 80 82 84 86 88 90 92 94 A51 Arbeiten Sie in einer Dreier- oder Vierergruppe und diskutieren Sie folgende Fragen zum Text. Halten Sie Ihre Auslegung dazu schriftlich fest. Diskutieren Sie anschließend im Klassenplenum. • Klären Sie, was genau unter kultureller Aneignung zu verstehen ist. • Überlegen Sie, welche Bedeutung hinter Goethes Zitat „Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt.“ verborgen liegt und wie dieses Zitat zum Thema „Interkulturalität“ bzw. „Literatur als Vermittlerin von Kulturen“ passt. • Setzen Sie sich mit den Begriffen „Nationalliteratur“ und „Nationalgerichte“ auseinander und diskutieren Sie, was Sie davon halten. • Überlegen Sie sich Beispiele von kulturellen Aneignungen, mit denen Sie selbst im Alltag konfrontiert sind. Recherchieren Sie, wenn nötig, online. • Besprechen Sie, wo die Unterschiede zwischen der Vermittlung von bzw. dem Interesse gegenüber Kultur und der respektlosen Aneignung kultureller Erscheinungen liegen. • Klären Sie die Frage, wie ein auf Respektlosigkeit basierendes Nachahmen bzw. Vereinnahmen kultureller Erscheinungen vermieden werden könnte. • Halten Sie fest, warum es so schwierig ist, kulturelle oder nationale Identität eindeutig festzulegen und an Dingliches zu binden. A52 Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile von Kultur im Klassenplenum. Beziehen Sie sich dabei ebenso kritisch auf die Abbildung rechts. Besprechen Sie außerdem die Frage, wie leicht es ist, verschiedene Kulturen voneinander abzugrenzen. C C 115 Mediale Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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