NEUHOCHDEUTSCH: Johannes von Tepl: Der Ackermann. Das 1. Kapitel. Grimmiger Zerstörer aller Länder, schädlicher Verfolger aller Welt, grausamer Mörder aller Leute, Ihr Tod, Euch sei geflucht! Gott, Euer Schöpfer, hasse Euch, Unheils Auswuchs sei mit euch, Unglück hause verheerend bei euch, gänzlich entehrt seid immer! Angst, Not und Jammer verlassen Euch nicht, wo Ihr umgeht; Leid, Trübsal und Kummer, die geleiten Euch allenthalben; leidige Anklage, schandvolle Erwartung und peinigende Strafe, die bedrängen euch heftig an jedem Ort! Himmel, Erde, Sonne, Mond, Gestirne, Meer, Gewoge1, Berg, Gefilde, Täler, Auen, der Hölle Abgrund, auch alles, was Leben und Wesen hat, sei Euch feind, missgünstig und verfluche Euch in alle Ewigkeit! In Schlechtigkeit geht unter, in jämmerlicher Unbehaustheit schwindet hin, und in der unwiderruflichen strengsten Ächtung durch Gott, alle Menschen und sämtliche Geschöpfe haltet aus für alle Zukunft! Schamloser Bösewicht, Euer böses Angedenken lebe und dauere ohne Ende! Angst und Schrecken trennen sich von Euch nicht, Ihr seid, wo Ihr seid! Von mir und der Allgemeinheit sei über euch wahrhaft Zeter2 geschrien mit gewundenen Händen! NEUHOCHDEUTSCH: Johannes von Tepl: Der Tod. Das 2. Kapitel. Hört, hört, hört, neue Wunder! Grauenhafte und unerhörte Anklagen richten sich gegen uns. Von wem die kommen, das ist uns ganz unbekannt. Doch Drohen, Fluchen, Zeterschreien, Händewinden und alle Angriffe haben wir bislang allseits gut überstanden. Gleichwohl, mein Sohn, wer Du auch bist, gib dich zu erkennen und tu kund, was für ein Leid Dir von uns widerfahren sei, um dessentwillen Du uns so ungebührlich behandelst, wie wir es von früher her kaum gewohnt sind, obwohl wir manchen beschlagenen, hochstehenden, ansehnlichen, mächtigen, wichtigen Leuten den Garaus gemacht haben, wodurch Witwen und Waisen, Ländern und Leuten Leid zur Genüge zugefügt wurde. Du tust ganz so, als ob es Dir ernst sei und Dich Not heftig bedränge. Deine Anklage ist ungeformt und ungereimt, woraus wir schließen, Du wolltest um Form und Reimes willen dein Ansinnen nicht entkräften. Bist Du aber tobsüchtig, rasend, betäubt oder sonstwie von Sinnen, so warte und halt ein und sei nicht zu schnell dabei, so heftig zu fluchen. Gib acht, dass du nicht Sorgen Dir einhandelst durch späte Reue. Glaube nicht, dass Du unsere herrliche und gewaltige Macht jemals schwächen könntest. Gleichwohl, nenne Dich und verschweige nicht, inwiefern Dir von uns so drückende Gewalt entgegengebracht worden sei. Gerechtfertigt wollen wir werden, gerechtfertigt ist unser Tun. Wir wissen nicht, wessen Du uns so verwegen bezichtigst. QUELLE: Tepl, Johannes von: Der Ackermann. Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Hg., übersetzt und kommentiert von Christian Kiening. Stuttgart: Reclam 2002. Durchgesehene und verbesserte Ausgabe. S. 6-9. (Rechtschreibung adaptiert) A7 Suchen Sie die Anschuldigungen des Ackermannes sowie die Argumente des Todes aus dem Text heraus und schreiben Sie diese in eine Tabelle. Notieren Sie ebenso, wie der Tod an den Ackermann herantritt und welche „Tipps“ er ihm bezüglich des Streitgespräches zu geben versucht. An welcher Stelle – wenn überhaupt – erfährt der Tod, warum ihn der Ackermann dermaßen anklagt? Versuchen Sie auch, einige Wörter aus der frühneuhochdeutschen Version der „Übersetzung“ in das von uns gesprochene Neuhochdeutsch zuzuordnen. Erstellen Sie ebenso eine Tabelle. A8 Vergleichen und vervollständigen Sie die beiden Tabellen danach im Plenum und überlegen Sie sich weitere Argumente, die der Ackermann und der Tod formulieren könnten, und spielen Sie unter Anwendung der zuvor gelernten Gesprächsregeln die Streitgespräche im Plenum nach. C 1 Dauerndes Wogen im Wind, z. B. des Meeres oder eines Getreidefeldes 2 Mittelhochdeutsch: „herbei zur Vergeltung“, eigentlich ein Hilferuf bei Raub oder Diebstahl: Zeter und Mordio schreien = um Hilfe schreien. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 9 Mündliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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