Daniel Casper von Lohenstein: O BIOS ESTI KOLOKYNTHÄ (gr.)/Das Leben ist ein Kürbis (17. Jhdt.) Dis Leben ist ein Kürbis / die Schal’ ist Fleisch und Knochen; Die Kerne sind der Geist / der Wurmstich ist der Tod; Des Alters Frühling mahlt die Blüthe schön und roth / Jm Sommer / wenn der Saft am besten erst sol kochen / So wird die gelbe Frucht von Kefern schon bekrochen / Die morsche Staudte fault / der Leib wird Asch’ und Koth; Doch bleibt des Menschen Kern der Geist aus aller Noth / Er wird von Wurm’ und Tod und Kranckheit nicht gestochen. Er selbst veruhrsacht noch: Daß eine neue Frucht / Ein unverweßlich Leib aus Moder Asch’ und Erde / Auf jenen grossen Lentz1 im Himmel wachsen werde. Warumb denn: daß mein freind mit Thränen wider sucht Die itzt entseel’te Frau? die Seel’ ist unvergraben / So wird Er auch den Leib dort schöner wieder haben. Der Hofnungs-Bau ist Fall / die Blüthe faulend Most / Eis / Trübsand ist das Feld / wo unser Muth ausblühet. Wenn man den Ehren-Zweck beym Lichten recht besiehet / Hat Erde / Sand und Sarch Uns so viel Müh gekost. Wir etzen Marmel aus nur für der Zeiten Rost / Der Wurm ist / was er spinnt / der Mensch / was er erziehet / Ja was er betet an / selbst zu zerstörn bemühet / Und unser Sonnenschein hegt morgen Haß und Frost. So wendet sich das Blatt. Wol dem der ihm nicht traut! Mein Freind / der nichts als sich im Leben wolln besiegen / Muß durch den gift’gen Hauch des Todes zwar erliegen. Wol aber ihm! daß er kein Luft-Schloß hat gebaut! Denn seiner Seele Bau / worinnen er itzt wohnet / Bleibt von der Zeit und Tod / und Untergang verschonet. QUELLE: https://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/lohenst.htm; (abgerufen am: 29.01.2021) Original-Rechtschreibung übernommen, Anm. d. Verf.; 1: Frühling, auch: Lenz A25 Recherchieren Sie online oder in Ihrer Schulbibliothek zu einem der bekanntesten Sonette von Andreas Gryphius und notieren Sie auf einem Blatt, mit welchen sprachlichen Mitteln er barocke Motive bearbeitet. (z. B. das „vom Blut fette Schwerdt“ aus Thränen des Vaterlandes, etc.) 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 TIPP: DER BEKANNTESTE BAROCKDICHTER Thränen des Vaterlandes, Es ist alles eitel, Menschliches Elende – dies sind Namen der bekanntesten Sonette des Barockdichters Andreas Gryphius (1616–1664). Ebenso verfasste er Oden, Epigramme (= Grabinschriften) und dramatische Texte (Lust- und Trauerspiele). In seinen Werken begegnen uns oft die für das Barock so typischen Themen Memento mori, Vanitas und Carpe diem sowie der Dreißigjährige Krieg und seine Schrecken. 113 Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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