sprachreif - Deutsch Oberstufe, Schülerbuch

Epik Die Epik (griech. έπική ποίησις ) ist die erzählende Dichtung . Dazu gehören die epischen Großformen wie Epos und Roman sowie die epischen Kurzformen wie Novelle, Anekdote, Fabel, Parabel, Kurzgeschichte und Kalendergeschichte (s. auch Kapitel 3, S. 84 ff.) A41 Denken Sie zurück an Bücher, die Sie schon gelesen haben. Ordnen Sie diese den verschiedenen Erzählperspektiven und Erzähl-Formen zu und machen Sie sich Notizen. Welche Wirkung hatten die jeweiligen Erzähl-Perspektiven und -Formen auf Ihr Leseerlebnis? A42 Lesen Sie den folgenden Text. Stellen Sie Unterschiede zu den Ausschnitten aus Lyrik und Dramatik fest. MERKENSWERT Ein fiktionales Geschehen kann aus verschiedenen Erzählperspektiven dargestellt sein: • • auktorial: Ein allwissender Erzähler hat uneingeschränktes Wissen über Handlung und Figuren, steht aber außerhalb des Geschehens. z. B. J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe • • personal: Ein personaler Erzähler schildert das Geschehen aus der Sicht einer Figur , ist also am Geschehen beteiligt, kennt aber nur die Perspektive dieser einen Figur. z. B. F. Kafka: Die Verwandlung • • neutral: Ein neutraler Erzähler verschwindet hinter dem Geschehen, er kommentiert nichts, sondern be­ schreibt nur, was für jemand Beobachtenden wahrnehmbar ist. z. B. T. Fontane: Effi Briest Erzählformen Er-/Sie-Erzählform: wird meistens bei auktorialer und neutraler Erzählperspektive verwendet Ich-Erzählform: wird oft bei personaler Erzählperspektive verwendet, z. B. D. Defoe: Robinson Crusoe Wichtig zu wissen Der Erzähler/die Erzählerin ist nicht automatisch gleichzusetzen mit dem Autor/der Autorin! Innerhalb eines Romans können sowohl die Erzählperspektive als auch die Erzählform mehrfach wechseln . Ó mc6cj9 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 Thomas Mann: Der Zauberberg Unmöglich, dass Madame Chauchat von den Fä- den, die sich von einem gewissen Tisch zu ihrem spannen, nicht irgendetwas hätte bemerken sollen; und dass sie etwas, ja, möglichst viel davon be- merkte, lag zügelloserweise durchaus in Hans Castorps Absichten. Wir nennen das zügellos, weil er sich über die Vernunftwidrigkeit seines Falles völlig im Klaren war. Aber um wen es steht, wie es um ihn stand oder zu stehen begann, der will, dass man drüben von seinem Zustande Kenntnis habe, auch wenn kein Sinn und Verstand bei der Sache ist. So ist der Mensch. Nachdem also Frau Chauchat sich zwei- oder drei- mal zufällig oder unter magnetischer Einwirkung beim Essen nach jenem Tisch umgewandt hatte und jedesmal den Augen Hans Castorps begegnet war, blickte sie zum viertenmal mit Vorbedacht hi- nüber und begegnete seinen Augen auch diesmal. In einem fünften Fall ertappte sie ihn zwar nicht unmittelbar, er war gerade nicht auf dem Posten. Doch fühlte er es sofort, dass sie ihn ansah, und blickte ihr so eifrig entgegen, dass sie sich lächelnd abwandte. Misstrauen und Entzücken erfüllten ihn angesichts dieses Lächelns. QUELLE: Thomas Mann: Der Zauberberg. Frankfurt am Main: S. Fischer 1924/1952. S. 198. 29 Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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