sprachreif - Deutsch Oberstufe, Schülerbuch

Die drei literarischen Gattungen im Überblick Aufgrund der vielen unterschiedlichen Formen von schriftlichen Texten kam es schon frühzeitig in der Geschichte der Literatur zu Diskussionen über Kategorien, in welche man diese Formen unterteilen und ein­ ordnen konnte. Zahlreiche Theoretiker entwickelten Modelle, aber dasjenige, das sich gegenüber allen anderen durchsetzen konnte, war das Modell der drei Hauptgattungen, nämlich Lyrik, Dramatik und Epik , in welche sich alle Textformen unterteilen ließen. Lyrik Die Lyrik [griech. λυρική ( ποίησις ) lyrike (poiesis)] ist die älteste Form der Dichtung. Anders als in Dramatik und Epik steht (meist) keine Handlung im Vordergrund. Eine allgemein gültige Definition von Lyrik ist deshalb schwierig, weil nicht immer alle Merkmale auf sie zutreffen. Im Laufe der Literaturgeschichte änderte sich das Verständnis davon, wie ein Gedicht (formal) auszusehen hat, radikal. Einheitliches Versmaß, Strophenform und durchgängiger Reim werden nicht mehr als wesent­ liche Merkmale angesehen; was jedoch immer noch gültig ist, ist die Opposition zu erzählenden Texten . A37 Lesen Sie das Gedicht Willkommen und Abschied von Johann Wolfgang von Goethe. Stellen Sie Merkmale von Lyrik fest. Johann Wolfgang von Goethe: Willkommen und Abschied (1827) Es schlug mein Herz; geschwind zu Pferde! Es war gethan fast eh’ gedacht; Der Abend wiegte schon die Erde Und an den Bergen hing die Nacht: Schon stand im Nebelkleid die Eiche Ein aufgethürmter Riese da, Wo Finsterniss aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Der Mond von einem Wolkenhügel Sah kläglich aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsaus’ten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer; Doch frisch und fröhlich war mein Muth: In meinen Adern welches Feuer! In meinem Herzen welche Gluth! Dich sah ich, und die milde Freude Floss von dem süßen Blick auf mich; Ganz war mein Herz an deiner Seite Und jeder Athemzug für dich. Ein rosenfarbnes Frühlingswetter Umgab das liebliche Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich – Ihr Götter! Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht! Doch ach schon mit der Morgensonne Verengt der Abschied mir das Herz: In deinen Küssen, welche Wonne! In deinem Auge, welcher Schmerz! Ich ging, du standst und sahst zur Erden, Und sahst mir nach mit nassem Blick: Und doch, welch Glück geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück! QUELLE: Goethe, Johann Wolfgang von: Werke. Erster Band. Hrsg. v. Friedmar Apel u.a. Frankfurt/Main und Leipzig: Insel 1998. MERKENSWERT Lyrik – lyrische Sprache • • kunstvolle Sprache • • Vers- und Strophenform • • bestimmter Rhythmus • • Reime können, müssen aber nicht zwingend Merkmale lyrischer Sprache sein. Lyrische Texte sind, vereinfachend gesagt, Gedichte . 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 27 Literarische Bildung Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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