Quer durch Vorarlberg, Leseheft

8 Sagenhaftes Heute noch ist bei Bürs die Ruine der Burg Rosenegg zu sehen. In früheren Zeiten soll in der Burg öfters ein verzaubertes Burgfräulein erschienen sein. Jedem, den es traf, versprach es einen Schatz, wenn er es nur erlösen würde. Das letzteMal hat sich das verzauberte Burg­ fräulein einem Buben aus Bürs gezeigt. Es dämmerte bereits. Jakob, so hieß der Bub, hatte in der Nähe der Burg Holz gesammelt und war gerade auf dem Heimweg. Da stand auf einmal das Burgfräulein vor ihm. Es trug ein schneeweißes Gewand und sprach ihn freundlich an: „Büblein, leg dein Bündel ab. Du kannst mir helfen und ich will dich dafür reich belohnen. Viele Jahre muss ich hier schon herumirren, doch heute könntest du mich erlösen.“ Jakob war überhaupt nicht erschrocken. Er schaute das Burgfräulein mit großen Augen an und sagte: „Es ist schon recht spät. Meine Mutter wartet auf das Holz. Ich laufe schnell heim und bringe ihr das Bündel. Aber nach demAbendessen komme ich wieder!“ „Geh“, antwortete das Fräulein, „aber komm be­ stimmt und bring drei geweihte Ruten mit.“ Das Burgfräulein von Rosenegg Jakob aß schnell sein Abendbrot, lief in die gute Stube und holte drei geweihte Palmzweige. Damit lief er zur Burg hinauf. Der Mond schien hell. Ein bleiches Licht lag über der Burg, aber Jakob hatte keine Angst. Das weiße Fräulein kam ihm lächelnd entgegen und führte ihn in die Burg. Mutig ging Jakob mit. Über eine steinerne Stiege stiegen sie tief in ein Gewölbe hinunter. Dort, im hintersten Winkel, stand eine große eiserne Truhe. Auf dem Deckel hockte reglos ein großer schwarzer Hund. „Mein liebes Büblein“, meinte das Fräulein, „hier hast dumeinen Schlüsselbundmit dem Schlüssel für die Truhe. Wenn du diesem Hund mit jeder deiner geweihten Ruten einen Schlag gibst, wird er von der Kiste herunterspringen. Du kannst dieTruhe dann aufsperren. Der Schatz darin gehört dir und ich bin erlöst.“ Es war schon recht unheimlich da unten im tiefen Keller, aber dem Buben gefiel das Fräulein und er hätte es gar gern erlöst. AIso überlegte er nicht lange, nahm eine Rute und gab dem großen Hund einen Schlag. Das Tier fing so böse zu knurren an, dass es im ganzen Gewölbe widerhallte. Es rollte seine Augen, fing an zu wachsen und wurde immer größer. Da begann es Jakob zu gruseln. Aber tapfer ergriff er die zweite Rute und schlug nochmals auf den Hund ein. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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