Quer durch Tirol, Leseheft

22 Märchenhaftes Vor langer, langer Zeit kam eine junge Frau als Magd auf den Hof eines reichen und gei­ zigen Bauern. Von Anfang an war sie fleißig und achtsam bei allem, was sie tat. Sie war freundlich und hilfreich gegen jedermann, sodass selbst der Bauer nicht umhin konnte, ihr bald wohlgesinnt gegenüberzustehen. ImStall, der zu demHaus gehörte, wohnte in einer Mauerritze eine kleine Schlange mit einer zierlichen Krone auf dem Kopf, die Krönlnatter. Nochhatte sie niemand gesehen, da sie sehr scheu war. Doch ihren schönen, zarten Gesang hatten wohl schon alle Bediensteten gehört. Die Schlange war auch der Grund, dass die Knechte undMägde trotz der harten Arbeit und dem kargen Lohn blieben, denn es hieß, dass eine Krönlnatter Glück und Segen brachte. Als die neue Magd das erste Mal den Stall betrat, um die Kühe zu melken, fand sich die Krönlnatter bei ihr ein und sah sie mit ihren glänzenden, dunklen Augen bittend an. Die Krönlnatter „Ach“, lächelte da die junge Frau, „ich weiß schon, was du willst.“ Sie goss etwas frisch gemolkene Milch in ein irdenes Schüsserl und gab sie der kleinen Schlange zu trinken. Aufgeregt züngelnd kam die Schlange heran und schlürfte die süße Milch bis auf den letzten Tropfen aus. Als die Schüssel leer war, verneigte sich die Schlange vor der jungen Frau, dass ihre Krone wie Tau im Sonnenlicht funkelte. Dann kroch sie in ihre Mauerritze zurück. Sooft die junge Magd nun in den Stall kam, erschien die Schlange und erhielt von ihr frisch gemolkeneMilch. Die junge Frau hatte ihre reine Freude an der Schlange, und diese erhöhte sich noch, als sie bemerkte, dass die Schlange Glück und Segen über das Haus brachte, denn seit die Schlange ihre Milch bekam, waren alle Kühe gesund und gaben viel mehr Milch als früher. So verging die Zeit und alles fügte sich ins Beste. 5 10 15 20 25 30 35 40 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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