Quer durch die Steiermark, Leseheft

6 Sagenhaftes Von Bachsdorf bei Lebring zieht sich ein tiefer Graben quer über das Leibnitzer Feld bis Leibnitz und Laßnitz. Eigentlich stammt der Graben aus der Römerzeit, er sollte die Laßnitz mit der Mur verbinden. Die Sage aber weiß es anders. Diesen Graben soll der Teufel gegraben haben, weil er sich einmal über die Leibnitzer so geärgert hat, dass er sie alle ersäufen wollte. Zu diesem Zweck wollte er die Mur nach Leibnitz ableiten und den ganzen Ort für alle Zeiten unterWasser setzen. Der böse Plan des Teufels ist zum Glück vereitelt worden, und das ist so gekommen: In einer finstern Nacht hat der Teufel zu gra­ ben begonnen, und wenn der Teufel gräbt, kann er sehr schnell sein. Aus teuflischen Gründenmusste er seinWerk bis zumersten Hahnenschrei vollendet haben. Nun war es kaum noch Mitternacht, als ein junger Bursche auf dem Heimweg war und an dem Ort vorüberkam, wo der Teufel seinen Graben ausschaufelte. Der Bursch erkannte den Teufel nicht, weil es so dunkel war, und fragte: „Wasmachst du denn da?“ „Ich grabe einen Wassergraben nach Leib­ nitz“, antwortete der Teufel und arbeitete weiter. „Ja wozu denn?“, fragte der junge Bursch. „Und warummitten in der Nacht?“ „Viele Fragen, viele Antworten!“, sagte der Der Teufelsgraben Teufel. „Erstens: Ich grabe den Graben, weil ich die Mur nach Leibnitz leiten und den ganzen Ort ersäufen will. Zweitens muss ich bis zum ersten Hahnenschrei fertig werden, sonst merken die Leibnitzer was und ziehen womöglich fort. Aber wer bist du denn überhaupt, dass du so viel fragst?“ „Ach“, sagte der Bursche, der inzwischen gemerkt hatte, mit wem er es zu tun hatte. „Ich hab nur so gefragt. Aber jetzt muss ich weiter. Gehab dich wohl!“, und damit ging er eilig fort. Der Teufel kümmerte sich nicht mehr um den Frager und grub eifrig weiter, um beim erstenHahnenschrei fertig zu sein.Wer böse Werke vorhat, muss sich beeilen, damit nichts Gutes dazwischenkommt. Und außer­ dem war derWeg bis nach Leibnitz auch für einen Teufel ziemlich weit. Der Bursch aber ging nicht nachhause. Er versteckte sich in der Nähe. Als er sah, dass der Teufel wegen der Störung keinen Argwohn geschöpft hatte und weitergrub, klatschte er in die Hände und fing laut zu krähen an und klatschte und klatschte, bis alle Hähne in der Umgebung aufwachten und glaubten, es wäre schon Tag, und auch krähten. Da ärgerte der Teufel sich grün und blau, warf seine Schaufel hin und fuhr zornig zur Hölle. Seit damals nennt man diesen Graben den Teufelsgraben. Friedl Hofbauer 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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