Quer durch Salzburg, Leseheft

22 Märchenhaftes Es war einmal ein armer Spielmann. Er reiste jahraus, jahrein in der weiten Welt umher, geigte und sang überall, wohin er kam, und brachte sich mühsammit den paar Kreuzern, die er dabei verdiente, fort. Auf seiner Wanderung kam er auch einmal zu einer Kapelle. Er ging hinein und spielte und sang ein Lied zu Gottes Ehr’, so schön und so gut er es konnte. Wie er so in Eifer und Andacht sang und die Saiten strich, erhellte sich plötzlich das Antlitz der Muttergottesstatue, und einer ihrer goldenen Schuhe fiel herab und dem Spielmann zu Füßen. Da erschrak er nicht wenig, doch dann sagte er zu sich: „Wart, den nehme ich mit, weil er so wunderschön ist, der Schuh, und gar so hell funkelt. Denn: Ist die Gabe noch so klein, muss man doch zufrieden sein!“ Der arme Spielmann wusste ja nicht, dass der Schuh aus purem Gold war. Und er zog weiter und kamzu einemBauern­ haus, dort fragte er, ob man ihm den Schuh für wenig Geld abkaufen wolle. „Nein, nein, mein Lieber“, dachte der Bauer, „den Schuh hast du gestohlen, und es war dir recht, wenn ich ihn kaufe. So etwas Feines!“ überlegte er weiter, „aus Leder ist dieser Schuh bestimmt nicht.“ Und laut sagte er: „Geh damit in den Marktflecken zum Schu­ ster, der nimmt ihn dir vielleicht ab, ich kann Der arme Spielmann und die goldenen Schuhe ihn nicht kaufen.“ Dann bezeichnete er dem Spielmann den Weg und beschrieb auch genau das Haus, in dem der Schuster zu finden war. Der Spielmann ging hin, sang und geigte und zog dann den goldenen Schuh heraus. „Wollt Ihr ihn nicht kaufen?“ fragte er den Schustermeister. Doch auch diesem kam die Sache nicht ge­ heuer vor, und er sagte zumSpielmann: „Mit dem Schuh kann ich nichts anfangen, denn er ist nicht aus Leder.“ Und er gab ihm den Rat, zu einemGoldschmied zu gehen, nannte ihm einen und wies ihm denWeg dahin. Der Spielmann wanderte nun in die Stadt, kam vor das Haus des Goldschmieds und ging hinein. Da sang er wieder ein Lied und bot dann dem Meister den Schuh an. Der machte große Augen, als er merkte, dass der Schuh aus purem Gold war. „Ich will ihn dir gern abkaufen, doch muss ich vorher noch eine kleine Arbeit verrich­ ten. Drum setz dich eineWeile nieder!“ Sprach’s und gab draußen seiner Frau einen Wink, sie möge die Landwächter holen. Die waren im Nu zur Stelle und fragten den Spielmann streng, wo er denSchuh gestohlen habe. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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